Das erste der sieben Siegel
Sollten sich die Forschungsprioritäten ändern oder zusätzliche Gelder zur Verfügung stehen …
Nichts Neues.
Die nächste Seite war ebenfalls ein Brief, allerdings jüngeren Datums, nämlich vom 17. Februar 1998. Er war an den Leiter der NSF adressiert und mit ›Herzlichst‹ unterzeichnet. Aber das war alles. Sonst war nichts zu lesen, denn jede Zeile des Briefes – einschließlich des Briefkopfes – war mit schwarzem Markierstift geschwärzt worden. Am Rand hatte der zuständige Sachbearbeiter ›B (I)‹ geschrieben.
Bingo.
Frank musste nicht erst auf den Erläuterungsblättern nachsehen, um zu wissen, dass die Ausnahme B (I) Angelegenheiten der nationalen Sicherheit vorbehalten war. Das war die Bestätigung dessen, worauf Neal Gleasons Anwesenheit in Hammerfest hingedeutet hatte – dass es bei der Kopervik-Expedition um mehr ging als um ›reine Forschung‹.
Und das wiederum erklärte vermutlich, warum Kicklighter plötzlich nicht mehr zu erreichen war und warum Annie sich weigerte, über Kopervik oder über das, was sich dort ereignet hatte, zu sprechen. Wenn es sich um eine Sache der nationalen Sicherheit handelte, hatten sie sich vermutlich zu Stillschweigen verpflichten müssen.
Aber warum? Der Forschungsprojektantrag lag direkt vor ihm, in vollständiger Fassung, ohne dass ein Wort unkenntlich gemacht worden war. Sämtliche Aspekte und Ziele der Expedition waren dann detailliert erläutert. Hier stand schwarz auf weiß, worum es bei der Expedition ging. Warum also eine Schweigeverpflichtung – es sei denn, es ging noch um etwas anderes, etwas, von dem in dem Antrag nichts erwähnt wurde.
Frank starrte auf den geschwärzten Brief. Er konnte von überall kommen: FBI, CIA, das Pentagon – es war nicht zu erkennen.
Frustriert nahm er sich die letzte Seite in dem Stoß Papiere vor. Es war wiederum ein Brief, datiert auf den 23. Februar 1998 und ebenfalls an den Leiter der NSF adressiert.
In drei kurzen Sätzen dankte der Verfasser dem Leiter für seine Hilfe und verkündete, die Stiftung sei ›glücklich, Ihnen mitteilen zu können, dass die Kicklighter-Adair-Expedition nach Kopervik genehmigt worden ist‹. Der Brief war unterzeichnet:
Ihr sehr ergebener
Lloyd Kolp
Geschäftsführender Leiter
Frank blickte auf den Briefkopf:
THE COMPASS TRUST
Die Büros der Stiftung waren in McLean, etwa drei Querstraßen von der CIA entfernt. Was natürlich nichts besagte. Zumindest nicht unbedingt.
Aber A. Lloyd Kolp? Was machte er, wenn er nicht gerade Leiter des Compass Trust war?
Frank lehnte sich zurück, die Briefe vor sich auf dem Tisch, von links nach rechts chronologisch geordnet. Zuerst die NSF-Ablehnung von Kicklighters Antrag. Dann verstreichen anderthalb Jahre, und mit einem Mal kommt irgendwer vom Geheimdienst ins Spiel. Wie, wissen wir nicht. Mit welchem Ziel, wissen wir nicht. Aber er ist da. Und eine Woche später erhält die NSF einen Brief, in dem dem Leiter für seine Hilfe (was für Hilfe?) gedankt wird und gleichzeitig die Entscheidung der Stiftung angekündigt wird, die Expedition zu genehmigen.
Stand der zweite Brief mit dem dritten in Zusammenhang? Man konnte nie wissen …
Zum Verrücktwerden, dachte Frank. Es war, als wollte man ein Puzzle zusammensetzen, obwohl die Hälfte der Teile fehlte.
Er lehnte sich zurück und schaute an die Decke. Der Ventilator drehte sich langsam. Franks Blick fiel auf den Kalender neben dem Telefon. Die Tage, an denen er joggen gegangen war, waren umkringelt. Vielleicht sollte er jetzt joggen gehen, aber …
Er hatte keine Lust dazu. Der Himmel war bedeckt, und es war abzusehen, dass es bald schütten würde. Es war nur eine Frage der Zeit. Er ging zu seinem Schreibtisch und schaltete den Computer ein.
Er hatte noch immer Zugang zum Informationsdienst Nexis, dank der Post (oder, genauer gesagt, dank seiner Fähigkeit, das Passwort in der Setup-Datei in seinem Computer im Büro zu knacken). Er war froh, dass er das getan hatte, weil der Service unglaublich teuer und das Internet alles andere als ein nützlicher Ersatz war. Wenn er im Internet Näheres über den Compass Trust herausfinden wollte, würden ihm vermutlich Unmengen von Informationen über Orientierungslauf angeboten, die er erst aussortieren müsste.
Nexis brachte einen direkt dahin, wo man hinwollte – ohne Umwege.
Die Datenbank war gewaltig – praktisch jede Zeitung und Zeitschrift der Welt, von der Times bis zum Journal of Robotics, und sogar bis zu zwanzig,
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