Das erste der sieben Siegel
kein Genie sein, um sich auszurechnen, dass der Geheimdienst bei der Kopervik-Expedition seine Finger im Spiel gehabt hatte. Und Annie – was war mit ihr? Wusste sie davon? Aber wieso nicht? Die Expedition war schließlich ihre Idee gewesen.
Er klickte auf ›Drucken‹ und wartete, bis die Artikel ausgespuckt wurden.
Es war nur so eine Ahnung – er konnte eigentlich nichts beweisen –, aber er kannte sich gut genug mit solchen Dingen aus, um zu mutmaßen, dass der Compass Trust eine Scheinorganisation zur Finanzierung von Projekten war, die das Pentagon und die CIA ›an den Büchern vorbei‹ durchführen wollten.
Die Frage war: warum diese Expedition? Und warum jetzt? Warum sollte das Pentagon heimlich ein Projekt finanzieren, um ein seit langem verschollenes – und sehr gefährliches – Virus aus dem Dauerfrostboden zu bergen? Die Antwort schien auf der Hand zu liegen: weil das Projekt illegal war oder gegen irgendeinen Vertrag verstieß, wie beispielsweise den, der Bakterienforschung zu Kriegsführungszwecken verbot.
Erst als er den Computer abschaltete, merkte er, dass es angefangen hatte zu regnen und dass er inzwischen fast im Dunkeln saß. Er lehnte sich zurück, seufzte und überlegte, dass die Dunkelheit genau seiner Stimmung entsprach.
Herrgott noch mal, dachte er, Annie! Wie konntest du nur, Baby?
13
Er saß auf der Treppe vor ihrem Haus, als sie den Gehweg hinaufkam.
Sie trug ein blaues Kostüm, dessen Rock bis zu den Knien ging, rote Schuhe und eine passende rote Handtasche. Sie las in der Post und ging mit kleinen schlurfenden Schritten, damit sie nicht darauf achten musste, wo sie langging.
Er hatte sie schon einmal in diesem Stil gekleidet gesehen, an dem Tag, als sie sich kennen gelernt hatten, in ihrem Büro in den NIH. Sie hatte ihren Laborkittel ausgezogen, und ein ähnliches Kostüm wie jetzt war zum Vorschein gekommen – die Aufmachung einer Hausfrau aus der Vorstadt, anonym und langweilig. So professionell und selbstsicher sie auch in ihrer weißen Laborkleidung wirkte, sie scheiterte kläglich, wenn sie versuchte, sich als erfolgreiche Karrierefrau auszustaffieren. Im Grunde erweckte sie den anrührenden, aber unverkennbaren Eindruck eines kleinen Mädchens, das sich als Erwachsene verkleidet.
»Frank!«, sagte sie, als sie ihn endlich bemerkte. Herzliches, offenes Lächeln. »Hiiiiii.«
Er stand auf. »Hallo …«
Seine Stimme sagte ihr, dass etwas nicht stimmte. »Was ist los?«, fragte sie.
Er dachte nach. »Tja«, sagte er, »das ist kompliziert.«
In der warmen Frühlingsluft setzten sie sich zusammen auf die Treppe. Annie faltete die Zeitung auf ihrem Schoß zusammen und sah ihn an.
»Ich habe bei einigen Behörden einen Antrag auf Herausgabe von Informationen gestellt«, sagte Frank. »Über die Expedition.«
Annie stöhnte auf und verdrehte die Augen. »Ich dachte, wir wollten nicht darüber reden.«
»Ich habe Material zugeschickt bekommen. Ich denke, Sie sollten es sich ansehen.«
Sie blickte weg, verärgert, weil er sich nicht an ihre Abmachung hielt.
»Ich weiß, was Sie jetzt sagen wollen«, sagte Frank, »aber ich finde wirklich, Sie sollten mich bis zu Ende anhören. Wirklich.«
Mit einem Seufzer und einem entnervt nachsichtigen Blick wandte sie sich ihm zu. »Schießen Sie los«, sagte sie mit einer Stimme, die ebenso gelassen wie ausdruckslos klang.
Er zeigte ihr den Brief mit der B (I)-Zensur (Na und? Ich weiß nicht, was das soll.) und den nächsten, vom Compass Trust (Lassen Sie mal sehen … wer ist A. Lloyd Kolp?). Er erzählte ihr, wer Kolp war, und erklärte, was es mit Mellowes auf sich hatte. Sie war jetzt interessiert – sogar aufgeregt. Doctor K hat gesagt, die NSF würde uns finanzieren – von dieser Compass-Sache hat er nichts erwähnt.
Als Frank fertig war, steckte er die Papiere in seine Aktentasche. »Sie haben von alldem nichts gewusst, stimmt’s?«
Sie hatte die Lippen zusammengepresst, als ob sie gleich weinen würde, und schüttelte den Kopf.
»Also …« Er griff nach ihrer Hand, aber sie zog sie zurück und saß da, die Ellbogen auf den Knien, das Gesicht in den Händen vergraben. »Ich hatte gehofft, wir könnten reden – über das, was in Kopervik passiert ist. Über Neal Gleason und so weiter.«
Sie presste sich die Handballen auf die Augen und bewegte den Kopf hin und her. Er sah dunkle Flecken auf ihrem Rock und wusste, dass sie weinte. Schließlich sagte sie: »Wer ist Neal Gleason?«
»Der Mann, der
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