Das erste der sieben Siegel
Konferenzen, die man nicht mehr vergaß.
»Frank?« Deer beugte sich durch die Tür, todschick in einem Anzug, der aussah wie von Armani. »Hab ich mir doch gedacht, dass Sie das sind! Kommen Sie mit.«
Sie schritten über einen mit Teppich ausgelegten Gang, plauderten über die Washington Post und ein kleines In-Restaurant am Eastern Market, wo man die besten Krabbenomeletts der Stadt bekam. Als sie sein Büro betraten, deutete Deer auf einen Ledersessel und ließ sich selbst hinter einem wuchtigen Mahagonischreibtisch nieder. Die Fensterfront in seinem Rücken bot einen weiten Blick über Washington.
Sie plauderten noch ein Weilchen länger, erzählten, was sich bei ihnen beruflich getan hatte, sprachen über die Dienstreisen, die sie in den letzten zwei Jahren unternommen hatten. Schließlich kam Deer zur Sache. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er.
Frank zuckte die Achseln. »Ich arbeite an einer ziemlich außergewöhnlichen Story, und ich hatte gehofft, Sie könnten mir vielleicht weiterhelfen.« In knapp zehn Minuten erzählte er ihm, worum es ging, und schilderte die Ereignisse so, dass sie einer gewissen Heiterkeit nicht entbehrten. Er begann mit seinem Flug nach Murmansk und seinem Aufenthalt im ›Tschernomorskaja‹. Deer musste lachen, als Frank das Hotel beschrieb, doch im weiteren Verlauf der Geschichte legte seine Stirn sich allmählich in Falten.
»Sind Sie sicher, dass das FBI von der Sache weiß?«, fragte Deer.
Frank nickte. »Ja, die wissen Bescheid. Das Pentagon ebenfalls.«
»Okay. Also wer hat die Leichen gestohlen?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Frank. »Eine Zeit lang habe ich an –«
»Die Iraker gedacht.«
Frank sah ihn erstaunt an. »Woher wissen Sie das?«
»Weil das jeder denkt. Alle denken immer, die Iraker waren es, ganz egal was.«
»Aber Sie denken das nicht.«
»Nein. Was sollten die damit anfangen wollen?«
Frank zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Weil das Virus so tödlich ist …«
Deer war nicht überzeugt. »Tödlich ist ein relativer Begriff«, sagte er. »Und bei einem pathogenen Stoff wie dem Grippevirus gäbe es jede Menge Vorarbeiten zu leisten, um daraus eine Waffe zu machen. Und es wäre gar nicht so einfach –«
»Was meinen Sie mit ›daraus eine Waffe machen‹?«
»Unterschiedliche Viren haben unterschiedliche Eigenschaften. Manche sind praktisch unzerstörbar, während andere sofort absterben. Wenn man ein Virus als Waffe benutzen will, muss man eine besonders virulente Variante davon heranzüchten. Man müsste die Faktoren steigern, die wir als ›mortalitätssteigernd‹ bezeichnen. Man müsste die beste Verbreitungsmethode finden. Und es gibt Dutzende von Bazillen und Toxinen, die erschöpfend erforscht sind – und nicht schwer zu kriegen. Man müsste nicht extra bis in die Arktis fahren.«
»Was sind das für Bazillen und Toxine?«
»Milzbrand. Botulin.«
Frank notierte sich die Namen. »Kann man die kaufen?«
Jetzt musste Deer die Achseln zucken. »Wer in einem Universitätslabor arbeitet oder einem kommerziellen Labor oder wer sich einen falschen Briefkopf zulegt und behauptet, er wäre Wissenschaftler, kann sich alles, was er will, bequem mit der Post zuschicken lassen. Q-Fieber, Tularämie, Pest – man kriegt alles zugesandt, mit der Paketpost. Was ich damit sagen will, ist: Warum sollte einer das Rad neu erfinden wollen, wenn er nach einer biologischen Waffe sucht? Die allgemein zugängliche Literatur ist voller Informationen – einschließlich Informationen über Verteilersysteme.«
»Als da wären?« Frank kritzelte eifrig in sein Notizbuch.
»Spraydosen. Zecken. Fledermäuse. Bomben –«
»Fledermäuse?«
»Natürlich, Fledermäuse! Auch Tauben. Und Delphine.«
»Wie macht man –«
»Man schnallt es ihnen an.«
»Was denn?«
»Kleine Porzellanbomben.«
»Sie machen Witze.«
Deer sah ihm unverwandt in die Augen. »Sehe ich so aus?«
Frank rutschte in seinem Sessel hin und her. »Also was hatten Sie noch mal über das Grippevirus gesagt?«
»Dass es keine besonders gute Waffe abgeben würde. Nein.«
»Warum nicht?«
»Also«, sagte Deer, »zunächst einmal: Wenn man einen Krieg führt, hat man es mit militärischen Einheiten auf dem Schlachtfeld zu tun. Da würde man natürlich etwas nehmen, das sofort Wirkung zeigt – etwas, das die Leute umhaut. Wie zum Beispiel Gas.«
»Und wenn man es auf die Zivilbevölkerung abgesehen hat?«
»Sie meinen wie Saddam bei den Kurden?«
»Ja«, nickte
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