Das erste der sieben Siegel
Garagen. Leute wie Oberdorfer konnten so bequem in ihr Flugzeug steigen wie andere Leute in ihre Autos. Eine Minute später konnte er schon aus seiner Einfahrt auf die Rollbahn einbiegen und fünf Minuten später in der Luft sein.
Das Ganze war also wie geschaffen für Oberdorfer, dessen Mission sowohl ein kleines Flugzeug als auch einen privaten Hangar erforderte.
Wie üblich stand er um halb sechs auf, machte seine Morgengymnastik und -meditationen und ging dann zum Clubhaus, um pünktlich um sieben mit seinen neuen Bekannten eine Runde Golf zu spielen. Meistens machte ihm das Golfspielen Spaß, obwohl er ehrlich gesagt nicht besonders gut war. Und heute war er noch dazu unkonzentriert. Der Wetterbericht hatte keinen Regen gemeldet, nun jedoch bauten sich allmählich Wolken am Horizont auf, und das bereitete ihm Sorge.
Andererseits, dachte er, als er mit seinem Schläger einen Schauer aus Erde und Gras in die Luft beförderte, falls es tatsächlich keinen Regen gab, wären die Wetterbedingungen nahezu perfekt. Temperaturen um die achtundzwanzig Grad, hohe Luftfeuchtigkeit, leichter Ostwind. So wichtig war es eigentlich auch nicht. Er konnte es heute machen oder auch morgen. Die Entscheidung lag bei ihm, solange die Bedingungen stimmten. Trotzdem, die Frage ging ihm nicht aus dem Kopf. Und sein Spiel litt unter der fehlenden Konzentration. Besonders die kurzen Schläge. Seine Drives waren erbärmlich und sein Putting einfach schauderhaft.
»Verdammt«, sagte er, als sein Ball am vierzehnten Loch ins Rough segelte. »Habt ihr was dagegen, wenn ich einen Freischlag nehme?«
Die Frage löste lautes Gejohle aus. »Ein Freischlag kann dich auch nicht mehr retten, Obie«, scherzte ein Mann namens Johnson. »Wie wär’s stattdessen mit ‘ner Runde Freibier für alle?«
Gegen Mittag waren sie im Clubhaus beim Lunch – auf seine Kosten, weil er am neunten Loch so unglaublich mies gespielt hatte. Um zwei war er wieder zu Hause. Das Wetter hielt, das Barometer war stabil, der Wind unverändert. Eine Stunde später war er in seinem Hangar und überprüfte die Ausrüstung ungefähr zum zehnten Mal.
Aufgrund der Tatsache, dass er einen privaten Hangar besaß, war es ein Kinderspiel gewesen, das Flugzeug entsprechend aufzurüsten. Die Geräte zum Bestäuben großer Felder sind recht simpel und bestehen im Grunde nur aus verschiedenen Rohrleitungen, die an der hinteren Kante der Tragflächen angebracht werden. In diese Röhren waren zwanzig Zerstäuberdüsen eingesetzt worden, und das Ganze funktionierte gut. Alles, was er brauchte, hatte er in einem Heimwerkermarkt bekommen.
Der Kanister selbst war ziemlich groß, aber er passte auf den Passagiersitz hinter ihm. Das Teil kam aus der Schweiz und war anscheinend für die Bekämpfung irgendwelcher Schädlinge im Berner Oberland gedacht gewesen. Die Zentrale hatte ihn besorgt, und das war gut so. Die Zerstäubungsdichte war vorgegeben, und es gab einen eingebauten Luftkompressor. Er musste ihn lediglich aufladen, das Ding mit Wasser füllen und das Material dazugeben. War er erst in der Luft, würde sich auf Knopfdruck ein feiner Schleier hinter dem Flugzeug ausbreiten.
Er wartete bis halb fünf. Wie die meisten kleinen Flugplätze verfügte auch Pine Creek nicht über Instrumente, um Starts und Landungen zu überwachen. Für Kurzflüge musste man noch nicht mal einen Flugplan einreichen. Ein paar von den stolzen Flugzeugbesitzern – vor allem diejenigen mit Oldtimer-Modellen – stiegen manchmal auf, um Loopings und Rollen zu fliegen. Aber zur Zeit war niemand in der Luft, zumindest sah er keinen. Und es gab keine Wartezeit auf der Startbahn. (Eigentlich musste man nur an den Wochenenden vor dem Start Schlange stehen.)
Er verstaute den Kanister auf dem Passagiersitz und drapierte seine Jacke darüber. Dann ging er seine Checkliste durch, trat zurück und bewunderte sein handwerkliches Geschick. Wirklich, die Düsen und Rohrleitungen waren kaum zu sehen, selbst auf diese kurze Entfernung.
Draußen hing der Windsack schlaff herab, und nur gelegentlich wurde er von einer leichten Brise bewegt. Am Himmel war weit und breit kein Flugzeug zu sehen, außer einer Verkehrsmaschine auf dem Weg nach Süden.
Aus der Vogelperspektive war deutlich zu erkennen, dass dieser Teil Floridas mittlerweile fast vollständig erschlossen war. In der Ferne sah man Richtung Orlando noch ein paar Farmen mit leuchtendgrünen Flächen frischen Grases drum herum, doch abgesehen davon und außer
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