Das erste Gesetz der Magie - 1
Ich habe im Paß meinen Fuß verloren, aber er hätte sein Leben verloren. Wenn der Sucher sein Leben verliert, verlieren wir auch unseres. Ich wollte ihm nichts Böses.«
Zedd legte den Apfel weg und wischte seinen Ärger mit einer Handbewegung fort. »Das weiß ich, Adie. Das habe ich auch nicht sagen wollen.« Er ergriff Adies Hand. »Es wird schon klappen.«
»Ich bin ein Narr«, sagte sie bitter. »Er hat mir gesagt, daß er keine Rätsel mag, aber ich habe nicht mehr daran gedacht. Zedd, suche ihn mit Hilfe des Steins der Nacht. Stelle fest, ob er es geschafft hat.«
Zedd nickte. Er schloß die Augen, ließ das Kinn auf die Brust sinken und atmete dreimal tief durch. Dann hörte er für lange Zeit auf zu atmen. In der Luft ringsum ertönte das leise, sanfte Säuseln eines fernen Windes, eines Windes über einer weiten Ebene, einsam, unheilvoll, gespenstisch. Endlich verschwand das Windgeräusch, und der Zauberer begann wieder zu atmen. Er hob den Kopf und öffnete die Augen.
»Er ist in den Midlands. Er hat es durch den Paß geschafft.«
Adie nickte erleichtert. »Ich werde dir einen Knochen mitgeben, damit du sicher durch den Paß kommst. Willst du ihm sofort nachgehen?«
Der Zauberer wich ihren weißen Augen aus und blickte auf den Tisch. »Nein«, sagte er ruhig. »Wie du gesagt hast, er ist der Sucher. Ich habe etwas Wichtiges zu erledigen, wenn wir Darken Rahl aufhalten wollen. Hoffentlich kann er inzwischen allen Ärger vermeiden.«
»Geheimnisse?« fragte die Hexenmeisterin mit ihrem dünnen Lächeln.
»Geheimnisse«, bejahte der Zauberer mit einem Nicken. »Ich muß sofort aufbrechen.«
Sie zog eine Hand unter der seinen hervor und strich über seine lederne Haut.
»Draußen ist es dunkel.«
»Richtig«, gab er ihr recht.
»Warum bleibst du nicht über Nacht? Und brichst in der Dämmerung auf.«
Zedd riß die Augen auf und sah sie mit gesenktem Kopf an. »Ich soll über Nacht bleiben?«
Adie zuckte mit den Achseln und strich weiter über seine Hand. »Manchmal ist es hier recht einsam.«
»Also«, Zedd strahlte schelmisch übers ganze Gesicht – »du hast recht, es ist dunkel draußen. Und ich schätze, es macht auch mehr Sinn, morgens aufzubrechen.« Plötzlich runzelte er die Stirn. »Das ist doch nicht eines deiner Rätsel, oder?«
Sie schüttelte den Kopf, nein, das war es nicht. Und er strahlte wieder.
»Ich habe meinen Zaubererfelsen dabei. Hast du vielleicht Interesse?«
Adies Züge schmolzen zu einem schüchternen Lächeln. »Sehr gerne.« Sie sah ihn an, lehnte sich zurück und biß von ihrem Apfel ab.
Zedd zog eine Braue hoch. »Nackt?«
Wind und Regen beugten das hohe Gras in weiten, gemächlichen Wogen, während sich die beiden ihren Weg über die offene, flache Ebene bahnten. Die wenigen Bäume, die es gab, standen weit auseinander. Meist waren es kleine Birken- und Erlengruppen längs der Bachläufe. Kahlan behielt das Gras ringsum im Auge. Sie befanden sich in der Nähe des Gebietes der Schlammenschen. Richard folgte schweigend und hielt sein Auge wachsam auf Kahlan gerichtet, wie immer.
Der Gedanke, ihn zu den Schlammenschen mitzunehmen, behagte ihr nicht, doch er hatte recht, sie mußten wissen, wo sie nach dem letzten Kästchen suchen sollten, und es gab niemanden sonst in der Nähe, der ihnen die richtige Richtung zeigen konnte. Der Herbst neigte sich dem Ende zu, die Zeit wurde knapp. Vielleicht halfen ihnen die Schlammenschen aber auch nicht, dann wäre die Zeit vergeudet.
Schlimmer noch. Sie wußte zwar, sie würden es nicht wagen, einen Konfessor zu töten, noch dazu einen, der unter dem Schutz eines Zauberers reiste, ob sie sich aber trauen würden, den Sucher zu töten, wußte sie nicht. Nie war sie zuvor ohne einen Zauberer durch die Midlands gereist, das tat kein Konfessor. Es war zu gefährlich. Richard war ein besserer Schutz als Giller, der letzte Zauberer, den man ihr zugeteilt hatte, doch eigentlich sollte Richard nicht sie beschützen, sondern sie ihn. Sie durfte nicht zulassen, daß er sein Leben für sie aufs Spiel setzte. Er sollte schließlich Rahl aufhalten. Das vor allem zählte. Sie hatte geschworen, ihr Leben für den Sucher einzusetzen. Für Richard. Noch nie in ihrem Leben hatte sie etwas inbrünstiger gewollt. Sollte je der Zeitpunkt der Entscheidung kommen, dann wäre sie es, die sterben müßte.
Der Pfad durch die Steppe erreichte zwei mit getrockneten Häuten umspannte Pfähle, die mit roten Streifen eingefärbt waren, jeweils einer
Weitere Kostenlose Bücher