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Das erste Gesetz der Magie - 1

Das erste Gesetz der Magie - 1

Titel: Das erste Gesetz der Magie - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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Arme, die schlaff herabhingen. Kleine Schlangen bohrten sich zappelnd durch ihr dichtes Haar, ließen die Zungen vorschnellen, andere ringelten sich ihr um den Hals, wieder andere glitten ihr vorne unter das Hemd und lugten zwischen den Knöpfen hervor. Als er sich ihr näherte, hatte er Mühe, seinen Atem zu kontrollieren. Sein Herz klopfte. Kahlan liefen die Tränen über die Wangen, und sie zitterte kaum merklich.
    »Beweg dich nicht«, sagte er ruhig, »ich nehme sie herunter.«
    »Nein!« erwiderte sie flüsternd. Ihr von Panik geweiteter Blick fand seine Augen. »Wenn du sie berührst oder ich mich bewege, werden sie mich beißen.«
    »Schon gut«, versuchte er sie zu beruhigen, »ich hole dich hier raus.«
    »Richard«, flehte sie ihn flüsternd an, »ich bin so gut wie tot. Laß mich. Verschwinde von hier. Lauf.«
    Eine unsichtbare Hand schien sich um seine Kehle zu schließen. Er sah ihren Augen an, wie sehr sie sich zusammenreißen mußte, um nicht den Verstand zu verlieren. Er versuchte, so ruhig zu wirken, wie es eben ging, ihr Mut zu machen. »Ich lasse dich nicht allein«, hauchte er.
    »Bitte, Richard«, flüsterte sie heiser, »tu’s für mich, bevor es zu spät ist. Lauf weg.«
    Eine dünne, giftige, gestreifte Viper, die sich mit ihrem Schwanz in ihr Haar geringelt hatte, ließ den Kopf vor ihr Gesicht hängen. Die rote Zunge zuckte. Kahlan schloß die Augen. Die nächste Träne kullerte ihr über die Wange. Die Schlange zappelte an ihrer Wange hinab und weiter über ihr Schlüsselbein. Der gestreifte Körper verschwand unter ihrem Hemd.
    »Ich werde sterben. Du kannst mich jetzt nicht mehr retten. Bitte, Richard, bring dich in Sicherheit. Lauf weg, solange du noch eine Chance hast.«
    Richard befürchtete, sie könnte sich absichtlich bewegen, damit sie gebissen und er gerettet würde; schließlich hätte er dann keinen Grund mehr zu bleiben. Er mußte sie überzeugen, daß das keinen Sinn ergab. Er sah sie nüchtern an.
    »Nein. Ich bin hergekommen, um herauszufinden, wo das Kästchen ist. Ich werde nicht gehen, bevor ich es weiß. Sei jetzt still.«
    Mit aufgerissenen Augen verfolgte sie, was die Schlange unter ihrem Hemd anrichtete. Sie biß sich auf die Unterlippe und runzelte die Stirn. Richard versuchte, die Trockenheit in seinem Mund herunterzuschlucken.
    »Kahlan, halte einfach durch. Versuch, an etwas anderes zu denken.«
    Wutentbrannt ging er zu der Frau auf dem Felsen, die ihm immer noch den Rücken zukehrte. Irgend etwas in seinem Innern warnte ihn, das Schwert zu ziehen, aber wie sollte er seine Wut darüber zügeln, was diese Frau Kahlan antat? Er sog den Atem durch die zusammengebissenen Zähne.
    Als er sie erreicht hatte, erhob sie sich und drehte sich ruhig zu ihm um. Eine vertraute Stimme sagte seinen Namen.
    Sein Herz schlug bis zum Hals, als er sah, welches Gesicht zu der Stimme gehörte.

31. Kapitel
    Es war seine Mutter. Richard fühlte sich wie vom Blitz erschlagen. Er erstarrte am ganzen Körper. Seine Wut verflog, sein Zorn entließ ihn aus seinem Griff, als Mordgedanken und die Erinnerung an seine Mutter aufeinanderprallten.
    »Richard«, lächelte sie ihn traurig an und zeigte ihm mit ihrem Lächeln, wie sehr sie ihn liebte und vermißte.
    Seine Gedanken rasten. Er versuchte zu begreifen, was hier geschah. Unmöglich. Was hier geschah, war einfach nicht möglich.
    »Mutter?« hauchte er.
    Arme, die er kannte, an die er sich erinnerte, schlangen sich um ihn, trösteten ihn, lockten ihm die Tränen in die Augen, schnürten seine Kehle zu.
    »Oh, Richard«, besänftigte sie ihn, »wie habe ich dich vermißt.« Sie fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar, streichelte ihn. »Wie sehr habe ich dich vermißt.«
    Taumelnd versuchte er, die Beherrschung über seine Gefühle zurückzugewinnen. Er versuchte mit aller Kraft, sich auf Kahlan zu konzentrieren. Er durfte sie nicht wieder im Stich, sich nicht erneut täuschen lassen. Denn sie war nur in Not geraten, weil er sich hatte täuschen lassen. Dies war nicht seine Mutter, es war Shota, die Hexe. Was aber, wenn er sich irrte?
    »Richard, warum bist du zu mir gekommen?«
    Richard legte ihr die Hände auf die schmalen Schultern und drückte sie sachte zurück. Sie ließ ihre Hände auf seine Hüfte gleiten, drückte ihn mit liebevoller Vertrautheit. Sie war nicht seine Mutter, versuchte er sich einzureden, sie war eine Hexe. Eine Hexe, die wußte, wo sich das letzte Kästchen der Ordnung befand, und genau das mußte er herausfinden.

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