Das erste Gesetz der Magie - 1
feucht auf ihre Gesichter.
Samuel zeigte hinunter ins Tal. »Die Herrin.«
Richard nickte und ließ ihn weitergehen. Samuel führte ihn durch ein Labyrinth aus Unterholz, dichtstehenden Bäumen und farnbedeckten Felsen zu einer Stelle, die Richard ohne seinen kleinen Führer niemals gefunden hätte: ein Pfad, der, hinter Felsen und Schlingpflanzen versteckt, vom Rande eines steilen Abgrundes die Talwand hinabführte. Während des Abstiegs bot sich vom Pfad aus ein weiter Blick auf die wunderschöne Landschaft unten im Tal: Unter dem strahlend blauen Himmel wirkten die Bäume, die in Grüppchen auf sanft geschwungenen Hügeln standen, winzig, und Bäche mäanderten durch die Felder.
In der Mitte all dessen, im Zentrum eines Teppichs aus Riesenbäumen, stand ein wunderschöner Palast von atemberaubender Eleganz und Pracht. Zarte Türmchen reckten sich in den Himmel, gehauchte Brücken überspannten die hohe Kluft zwischen den Zinnen, Treppen ringelten sich um Türmchen. Bunte Fahnen und Wimpel über jeder Spitze flatterten leise knatternd im Wind. Der gesamte großartige Bau schien freudig in den Himmel reichen zu wollen. Richard blieb einen Augenblick lang mit offenem Mund stehen und konnte kaum glauben, was er sah. Er liebte sein Zuhause, das Kernland, aber etwas Vergleichbares gab es dort nicht. Dies war schlicht und einfach der schönste Ort, den er je gesehen hatte. Nie hätte er sich träumen lassen, daß ein Ort von solch außergewöhnlicher Pracht überhaupt existierte.
Die beiden zogen weiter die Talwand hinab. An manchen Stellen waren Tausende von Stufen in die Felswand geschlagen, die sich durch Tunnel wanden und sich im scharfen Knick nach unten spiralförmig unterquerten. Samuel sprang sie hinab, als hätte er dies schon tausendmal getan. Er war offensichtlich begeistert, wieder zu Hause und unter der Obhut seiner Herrin zu sein.
Unten im Tal führte im Sonnenlicht eine Straße durch die baumbestandenen Hügel und warm leuchtenden Weiden. Samuel sprang in seinem alten Tempo davon und gurgelte vor sich hin. Richard spannte gelegentlich das Seil, um ihn zurückzuhalten. Sie durchquerten die Talsohle und folgten eine Weile lang einem Bachlauf. Die Bäume standen enger beieinander – jeder einzelne ein Prachtexemplar – und schützten Straßen und Felder vor den Strahlen der Sonne. Die Straße stieg leicht an. Oben auf der Anhöhe schienen sich die Bäume versammelt zu haben, als wollten sie sich schützend vor etwas stellen. Richard konnte durch die Äste bereits die Türme des Palastes erkennen.
Sie betraten die Kathedrale aus Bäumen. Schattig, lautlos, alles einhüllend.
Richard hörte das Gurgeln von Wasser über moosbewachsenen Steinen. Kärglich drang das Licht der Sonne in die Stille. Es duftete süß nach Gras und Blättern.
Samuel reckte den Arm vor. Richard blickte in die angegebene Richtung, in die Mitte eines freien, geschützten Platzes. Dort befand sich ein Felsen. Aus einer Quelle in dessen Mitte sprudelte Wasser, lief über die Seiten und sammelte sich in einem kleinen, mit üppiggrünen, moosbewachsenen Steinen durchsetzten Bachlauf. Eine Frau in einem langen, weißen Kleid und mit weichem, braunem Haar saß mit dem Rücken zu Richard auf der Felskante in den Sprenkeln des Sonnenlichts und spielte mit den Fingern im glasklaren Wasser. Selbst von hinten wirkte sie irgendwie vertraut.
»Die Herrin«, sagte Samuel mit verklärtem Blick. Dann zeigte er neben die Straße, auf eine Stelle ganz in der Nähe. »Die hübsche Frau.«
Richard erkannte Kahlan, die wie erstarrt dastand. Irgend etwas an ihr war seltsam. Auf ihrem Körper bewegte sich etwas. Samuel drehte seinen fleckigen Schädel und zeigte mit seinem langen, grauen Finger auf das Seil. Er sah Richard aus einem gelben Auge an.
»Der Sucher hat es versprochen«, sagte er leise knurrend.
Richard löste das Seil, nahm dem Gefährten Kahlans Rucksack ab und legte ihn auf den Boden. Samuel machte ein verächtliches Gesicht, fauchte und verschwand plötzlich im Schatten, wo er sich hinhockte, um zu beobachten, was passierte.
Richard mußte schlucken. Dann ging er zu Kahlan. In seinem Magen bildete sich ein harter Knoten. Voller Entsetzen erkannte er, was sich dort auf ihr bewegte.
Schlangen.
Kahlan war begraben unter einem Knäuel wimmelnder Schlangen. Die er kannte, waren ausnahmslos giftig. Dicke, fette Biester hatten sich ihr um die Beine geschlungen, eine hatte sich um ihre Hüfte gewickelt, andere ringelten sich um ihre
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