Das erste Gesetz der Magie - 1
sich nach einer Fluchtmöglichkeit um, doch das Gelände war zu offen, um unbemerkt einfach losrennen zu können. Er fragte sich, ob Drachen nach dem Schmaus ein Nickerchen hielten. Als er hörte, wie das Pferd gefressen wurde, drehte sich ihm der Magen um.
Endlich war es vorbei. Ein paar Schnaufer. Die Schnaufer kamen näher.
Richard versuchte, sich kleiner zu machen.
Krallen scharrten über den Felsen, hinter dem er sich versteckt hielt, hoben ihn in die Höhe und schleuderten ihn zur Seite. Richard blickte in stechend gelbe Augen. Fast alles andere war leuchtend rot. Der Kopf mit den biegsamen, schwarzen Dornenspitzen rund um den Unterkiefer und hinter den Ohren saß auf einem langen, dicken Hals, der aus einem gewaltigen Körper herausragte. Der sehnige Schwanz endete in schwarzen Dornenspitzen wie denen am Kopf, nur waren sie steif und fest. Der Schwanz wedelte gelassen hm und her, schob Felsbrocken zur Seite.
Kräftige Muskeln spielten unter den rot glänzenden, ineinander verhakten Schuppen an den Schultern, als der Drache seine Flügel reckte. Rasiermesserscharfe Fänge, noch rot vom letzten Mahl, sprossen gleich hinter den zu einem fiesen Grinsen verzogenen Lippen in die Höhe und füllten das längliche Maul. Das Biest schnaubte. Aus der spitzen Schnauze stieg Rauch.
»Was haben wir denn hier?« meinte eine eindeutig weibliche Stimme.
»Einen besonders schmackhaften Leckerbissen?«
Richard sprang auf die Füße und zog das Schwert, dessen Klirren die Luft füllte.
»Ich brauche deine Hilfe.«
»Mit dem größten Vergnügen, kleiner Mann. Aber erst werde ich dich fressen.«
»Ich warne dich! Zurück! Das Schwert besitzt magische Kräfte.«
»Magische Kräfte!« keuchte der Drachen in gespieltem Entsetzen. Er legte sich eine Klaue auf die Brust. »Oh, bitte, tapferer Mann, erschlag mich nicht mit deinem Zauberschwert!«
Er gab ein rauchiges Grollen von sich, das Richard für Lachen hielt.
Richard ließ das Schwert draußen, kam sich aber plötzlich albern vor.
»Du hast also vor, mich zu fressen?«
»Nun, ich muß zugeben, es wäre eher zum Spaß als wegen des Geschmacks.«
»Ich habe gehört, rote Drachen seien eigentlich ein unabhängiger Schlag, du jedoch seist wenig mehr als Darken Rahls Schoßhündchen.«
Ein Feuerball quoll aus der Schnauze und stieg in die Luft.
»Ich dachte, vielleicht wärst du deine Fesseln gerne los und wieder unabhängig wie früher.«
Der Kopf, der größer war als er selbst, wie Richard zu seinem Entsetzen feststellte, näherte sich bis auf wenige Meter. Die Ohren schwenkten nach vorn. Eine glänzend rote Zunge, an der Spitze gespalten wie die einer Schlange, glitt neugierig auf ihn zu und untersuchte ihn. Richard hielt das Schwert zur Seite, als die Zunge seinen Körper vom Schoß bis zum Hals abtastete. Die Berührung war sanft für einen Drachen, trotzdem torkelte er ein paar Schritte zurück.
»Und wie will das ein Winzling wie du bewerkstelligen?«
»Ich versuche, Darken Rahl aufzuhalten, ihn zu töten. Wenn du mir hilfst, bist du frei.«
Der Drachen warf seinen Kopf in die Höhe. Rauch puffte aus seinen Nasenlöchern, als er lachte. Der Boden bebte. Er blickte auf Richard herab, zwinkerte, dann warf er den Kopf wieder in den Nacken und lachte erneut. Das Grollen ließ nach, und der Kopf schwenkte zurück, die Brauen verärgert zusammengeballt.
»Ich glaube nicht. Ich glaube nicht, daß ich mein Schicksal in die Hände eines Winzlings wie du legen möchte. Lieber diene ich auch in Zukunft Meister Rahl.«
Mit einem Grunzen wirbelte er kleine Staubwölkchen zu Richards Füßen zur Seite.
»Schluß mit dem Gerede. Es wird Zeit für meinen leckeren Nachtisch.«
»Also gut. Ich bin bereit zu sterben.«
Er mußte Zeit gewinnen, brauchte Zeit zum Nachdenken. Wieso stand ein roter Drache in den Diensten Darken Rahls?
»Darf ich dir noch etwas sagen, bevor du mich verspeist?«
»Sprich«, schnaubte der Drache. »Aber fasse dich kurz.«
»Ich bin aus Westland. Ich habe noch nie einen Drachen gesehen. Ich hatte immer geglaubt, es seien furchterregende Geschöpfe, und ich muß zugeben, das bist du auch, sicher. Aber auf eins war ich nicht vorbereitet.«
»Und das wäre?«
»Du bist zweifellos das verblüffendste, schönste Geschöpf, das ich je gesehen habe.«
Es stimmte. Er war trotz seines tödlichen Wesens wunderschön. Der Hals des Drachens verformte sich zu einem ›S‹, als er den Kopf, überrascht mit den
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