Das erste Gesetz der Magie - 1
jedoch, wo er sie zu vermuten hatte, als er von einem Hügel auf das Lager hinabblickte und die kleinen Lagerfeuer beobachtete.
Die Nacht war dunkel. Der Mond verbarg sich hinter Wolken. Er arbeitete sich vorsichtig den Hügel hinab und schlich leise zwischen den Posten hindurch. Richard war in seinem Element. Es fiel ihm leicht, er wußte, wo sie waren, und sie erwarteten nicht, daß er zwischen ihnen hindurchschlich. Er behielt sie im Auge und duckte sich, sobald sie in seine Richtung blickten. Nachdem er den Ring aus Posten durchbrochen hatte, ging er sofort Richtung Lager. Michael hatte es ihm leichtgemacht. Sein Zelt befand sich etwas abseits, ein Stück von den Männern entfernt. Hätte es in der Mitte gestanden, wäre es wesentlich schwieriger gewesen. Allerdings waren rings um das Zelt Wachen postiert. Richard beobachtete sie eine Zeitlang, bis er eine Stelle gefunden hatte, wo er zwischen ihnen hindurchschlüpfen konnte: im Schatten des Zeltes, dem Schatten, der von den Feuern geworfen wurde.
Richard pirschte durch die Dunkelheit bis zum Zelt und ging in die Hokke. Er rührte sich nicht und kauerte still da. Lange lauschte er, um herauszufinden, ob jemand bei Michael im Zelt war. Er hörte das Rascheln von Papieren, eine Lampe brannte, aber sonst hörte er drinnen niemanden. Vorsichtig schnitt er ein winziges Loch in das Zelt, gerade groß genug, um hindurchzusehen. Michael saß mit der linken Seite zu ihm an einem kleinen, klappbaren Feldtisch und sah Papiere durch. Er hatte den Kopf mit dem widerspenstigen Haarschopf auf die Hand gestützt. Die Papiere schienen weder Linien noch Worte aufzuweisen, und soweit Richard sehen konnte, waren sie groß. Vermutlich Karten.
Er mußte hineingehen, sich aufrichten, auf ein Knie fallen lassen und seinen Gruß vorbringen, bevor Michael Gelegenheit hatte, Alarm zu schlagen. Drinnen, gleich unter ihm, stand ein Feldbett. Genau das Richtige, um unbemerkt ins Zelt zu gelangen. Er hielt das Seil unter Spannung, damit es keinen plötzlichen Ruck gab, dann schnitt er das Halteseil ungefähr in der Mitte durch, wo das Feldbett stand, rollte das Segeltuch ein Stück nach oben und glitt vorsichtig hindurch, hinter das Bett.
Als sich Michael nach einem Geräusch umdrehte, erhob sich Richard vor dem kleinen Tisch, dicht vor seinem Bruder. Richard mußte grinsen, als er seinen älteren Bruder wiedersah. Michaels Kopf fuhr herum. Die Farbe wich aus seinen weichen Zügen. Er sprang auf. Richard wollte gerade seinen Gruß anbringen, als Michael zu sprechen anfing.
»Richard … wie bist du … was tust du hier? Es ist so … so schön … dich wiederzusehen. Wir haben uns … alle solche Sorgen gemacht.«
Richards Lächeln erstarb.
Rahl hatte gesagt, mit dem Feindesnetz würden ihn nur die Verehrer Rahls erkennen.
Und Michael hatte ihn erkannt.
Michael war der Verräter. Michael hatte akzeptiert, daß er gefangengenommen und von einer Mord-Sith gefoltert worden war. Michael war es, der Kahlan und Zedd an Rahl ausliefern würde. Und alle anderen auch. Sein Innerstes gefror zu Eis.
Richard brachte nicht mehr als ein Flüstern hervor. »Wo ist das Kästchen?«
»Äh … du siehst hungrig aus, Richard. Ich werde dir etwas zu essen bringen lassen. Dann unterhalten wir uns. Es ist so lange her.« Richard ließ die Hände vom Schwert, aus Angst, er könnte es gebrauchen. Eisern erinnerte er sich daran, daß er der Sucher war, und das war alles, was im Augenblick zählte. Er war nicht Richard, er war der Sucher. Er hatte eine Aufgabe zu erledigen. Er durfte sich nicht wie Richard verhalten. Im Augenblick gab es Wichtigeres. Viel Wichtigeres.
»Wo ist das Kästchen?«
Michaels Blicke flogen umher. »Das Kästchen … Nun … Zedd hat mir davon erzählt … er wollte es mir geben … aber dann meinte er, er wolle dich mit Hilfe irgendeines Steines in D’Hara finden, und dann sind die drei aufgebrochen, um dich zu suchen. Ich sagte, ich wolle mitkommen, um meinen Bruder zu retten, müßte aber meine Männer sammeln und Vorbereitungen treffen, also sind sie vorausgeritten. Zedd hat das Kästchen behalten. Er hat es.«
Jetzt war es Richard klar; Darken Rahl hatte das dritte Kästchen. Er hatte die Wahrheit gesagt.
Der Sucher unterdrückte seine Gefühle und schätzte kurz die Lage ab. Er mußte zu Kahlan, das war das einzige, was jetzt zählte. Sie war es, die darunter zu leiden hätte, wenn er jetzt den Kopf verlor. Sie war es, die es mit dem Strafer zu tun bekommen würde. Er
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