Das erste Gesetz der Magie - 1
waren, sah aus wie ein Meer ineinander verflochtener, toter Schlangen. Die Pferde suchten sich vorsichtig ihren Weg durch das Gewirr. Die Luft war warm, schwer von Feuchtigkeit, trug den fauligen Geruch der Verwesung. Eine Moskitowolke folgte ihnen. Das einzig Lebendige hier, soweit Richard es beurteilen konnte. So offen das Gelände auch war, der Himmel bot wenig Helligkeit, da eine dichte Wolkendecke drückend tief über dem Boden hing. Nebelfetzen zogen zwischen den Silberdornen der stehengebliebenen Bäume hindurch und machten sie feucht und glitschig.
Chase ritt voran, es folgten Zedd, Kahlan und zum Schluß Richard, und der Grenzer hielt ein Auge auf sie, während sie ihrem verschlungenen Weg folgten. Die Sicht war auf wenige Dutzend Meter beschränkt. Richard hielt die Augen offen, obwohl Chase einen unbesorgten Eindruck machte. Hier konnte sich alles dicht heranschleichen, bevor man es merkte. Alle vier hatten mit den Moskitos zu kämpfen und sich bis auf Zedd dicht in ihre Umhänge gehüllt. Zedd verzichtete auf einen Umhang, tat sich an den Resten des Mittagessens gütlich und schaute sich um, als sei er auf einer Vergnügungsreise. Richard hatte einen ausgezeichneten Orientierungssinn, trotzdem war er froh, daß sie Chase als Führer hatten. Hier im Sumpf sah alles gleich aus, und aus Erfahrung wußte er, wie leicht es war, sich zu verlaufen.
Seit Richard am vergangenen Abend auf dem Zaubererfelsen gestanden hatte, empfand er das Gewicht seiner Verantwortung weniger als Last, sondern eher als Gelegenheit, etwas Wichtiges zu tun. Das Gefühl für die Gefahr war nicht geschwunden, aber er wollte unbedingt dabeisein, wenn Rahl besiegt wurde. Er sah seine Rolle dabei als Chance, denen zu helfen, die keine Chance hatten. Ein Zurück gab es nicht mehr. Das wäre sein Ende und das vieler anderer auch.
Richard beobachtete, wie Kahlans Körper beim Reiten hin und her schaukelte, wie sich ihre Schultern im Rhythmus des Pferdes wiegten. Gerne hätte er sie zu Orten in Kernland gebracht, die er kannte, unbekannte Orte voller Schönheit und Frieden, oben in den Bergen. Er hätte ihr den Wasserfall mit der dahinterliegenden Höhle gezeigt, den er entdeckt hatte, mit ihr an einem stillen Waldsee gepicknickt, sie in die Stadt begleitet, ihr etwas Schönes gekauft, sie einfach irgendwohin gebracht, wo sie sicher war. Sie sollte lächeln können, ohne sich jeden Augenblick darum sorgen zu müssen, ob ihre Feinde näher rückten. Nach dem gestrigen Abend kam ihm das vor wie ein vergeblicher Wunsch.
Chase gab das Zeichen zum Stehenbleiben. »Hier ist es.«
Richard sah sich um. Sie befanden sich noch immer in dem endlosen, toten, ausgetrockneten Sumpf. Er konnte keine Grenze entdecken. In allen Richtungen sah es gleich aus. Sie banden ihre Pferde an einen umgestürzten Stamm und folgten Chase ein kurzes Stück zu Fuß.
»Die Grenze«, verkündete Chase und streckte den Arm aus.
»Ich sehe nichts«, meinte Richard.
Chase lächelte. »Paß auf.« Er ging weiter, stetig, langsam. Während er vorwärtsging, bildete sich rings um ihn ein grüner Schimmer. Anfangs kaum sichtbar, wurde er stärker und stärker, bis er zwanzig Schritte weiter zu einem grünen Lichtschild wurde, der ihn am Voranschreiten zu hindern schien. In seiner Nähe war er dichter, drei Meter seitlich und über ihm wurde er schwächer. Der Lichtschild wuchs mit jedem Schritt. Er war wie grünes Glas, gewellt und verzerrend, doch Richard konnte die toten Bäume dahinter sehen. Chase blieb stehen und machte kehrt. Der grüne Schild und dann auch der grüne Schimmer wurden schwächer und verblaßten, als er zurückkam. Richard hatte immer geglaubt, die Grenze sei eine Art Wall, etwas, das man sehen konnte.
»Das ist sie?« Richard fühlte sich ein wenig enttäuscht.
»Was willst du mehr? Paß auf.« Chase suchte den Boden ab, hob Äste auf und untersuchte jeden einzelnen auf seine Stärke. Die meisten waren faulig und brachen schnell. Schließlich fand er einen, ungefähr vier Meter lang, der stark genug war und ihm zusagte. Er schleppte ihn in den Lichtschein, bis er den grünen Lichtschild erreicht hatte. Er hielt den Ast am dicken Ende und schob das andere Ende durch die Lichtwand. Während er ihn vorschob, verschwand das zwei Meter entfernte Ende, bis er nur noch einen zwei Meter langen Stock anstelle des vier Meter langen Astes in den Händen zu halten schien. Richard war verblüfft. Er konnte sehen, was hinter der Lichtwand lag, nicht jedoch das
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