Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)
Ich war nicht immer ein Bandit. Es hätte durchaus sein können, dass wir uns begegnet wären und freundliche Blicke getauscht hätten. Ich wurde geboren als Sohn eines Tuchhändlers in Tolmar. Mein Vater war sehr erfolgreich in seinem Handel, seine Karren reisten weit, seine Tücher waren beim Adel begehrt, denn er verstand es, die Farben haltbar zu machen. Als ich acht Jahre alt war, entschloss er sich, einen Wagenzug nach Illian zu führen. Die Handelswege waren geschlossen; es war zu der Zeit, als die Barbarenhorden die Königreiche in Schrecken versetzten. Zwanzig andere Händler schlossen sich ihm an, alle angelockt von dem Gold, das es zu verdienen gab, wenn unsere Wagen zu einem Zeitpunkt in Illian einfahren würden, an dem es dort an allem mangelte. Mein Vater heuerte Söldner an, und sie sollten angeführt werden von einem Mann, dessen Ruf untadelig war, ein Söldnerführer ohne eigenen Trupp, der bisher noch nie einen Wagenzug verloren hatte. Mein Vater war ein arroganter Mann, er stieß diesen Söldner, mit Namen Jamal, irgendwie vor den Kopf. Was es war, weiß ich bis heute nicht. Mein Vater entschloss sich also, jemand anderen anzuheuern. Der Wagenzug verließ alsbald unsere schöne Stadt. Ich begleitete meinen Vater. Es begab sich, dass der neue Söldnerführer ein Bandit war, der mit anderen gemeinsame Sache machte und den Zug in einen Hinterhalt lockte. Doch ganz ging der Plan des Banditen nicht auf. Die meisten Wachen blieben loyal, es waren ehrvolle Männer, und so kam es zu einem Kampf, der drei Tage währte. Doch am dritten Tag war der Kampf verloren, nur noch wenige der Verteidiger lebten, darunter ich, aber nicht mein Vater. Ich tötete an jenem Tag meinen ersten Mann mit einer Armbrust, als der Mörder sein Schwert aus der Brust meines Vaters zog.« Er holte tief Luft und sah mich unverwandt an. Mich überkamen urplötzlich unangenehme Erinnerungen. »Auch die Banditen hatten Leute verloren, es waren nur noch zehn von ihnen, von uns gab es jedoch nur noch vier, die ein Schwert heben konnten. Der letzte überlebende Händler hatte die Wagen in Brand gesteckt, und dies erboste die Banditen so sehr, dass mit Gnade nicht mehr zu rechnen war. Ich selbst war unter einem Wagen versteckt, als Jamal erschien. Er war allein, als er die zehn angriff. Von meinem Versteck aus konnte ich sehen, wie er kämpfte. Nie wieder habe ich solche Schwertarbeit gesehen.« Sein Blick schweifte kurz an ferne Orte. »Was soll ich sagen? Es war Jamal. Sie hatten keine Chance. Er erschlug sechs, den Rest, darunter auch der Anführer, schlug er bewusstlos. Er schleifte sie hinter seinem Pferd in unser brennendes Lager. Ich trat aus meinem Versteck hervor. Acht Jahre war ich alt, dennoch schien es, als wäre es mein Recht, als neuer Herr auf den Söldner zuzutreten und ihm, dem Sieger, etwas abzutrotzen. Als ich, der kleine Erbe eines verbrannten Vermögens, so hochherrschaftlich vor ihm stand, sprach er mich an …«
» Ihr wollt etwas. Was ist es?«, flüsterte ich.
Leandra sah von mir zu ihm. Sie schien fassungslos, fing sich aber wieder.
»Dann sagte ich ihm, ich wolle den Kopf des Verräters, und er antwortete, ich könne ihn mir nehmen. Also schnitt ich dem Mann mit meinem Brotmesser den Kopf ab«, erzählte Janos und sah zu mir auf. »Könnt Ihr mir noch einen Apfel geben?«
Ich beugte mich vor und warf ihm einen Apfel zu. Er biss hinein.
»Ich dachte, Ihr mögt sie lieber geschält?«, fragte Leandra spitz.
»Euch jetzt in diesem Moment um meinen Dolch zu bitten wäre vielleicht falsch verstanden worden.« Janos lachte. »Am Ende hättet Ihr ihn mir so ungeschickt zugeworfen, dass ich hätte verletzt werden können.«
Leandra funkelte ihn an, und er grinste breit zurück. Sein Dolch lag noch neben der Schale … Die Idee hatte etwas. Aber Janos sprach weiter, als habe er meinen Blick nicht bemerkt.
»Nun, Jamal ritt davon. Er wurde noch gefragt, warum er eigentlich gekommen wäre. Er habe es sich anders überlegt, war die Antwort.« Janos’ Augen ließen mich nicht los. »Es war nicht gerecht, aber ich hasste diesen Mann. Das gesamte Vermögen unserer Familie steckte in den brennenden Wagen, ich hatte nichts mehr, auch keinen Vater. Ich war acht Jahre alt, natürlich konnte ich das Erbe meines Vaters nicht halten. Ich hasste diesen Jamal, denn hätte er sich nicht geweigert, meinen Vater zu führen, wäre all dies nicht geschehen. Er war der Grund, warum ich in der Gosse landete, mich Dieben und Mördern
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