Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)
fast unerträglich heiß, umfing, umschmeichelte mich, löste verspannte Muskeln und brachte mein Blut zum Sieden. Oder war sie es? Ich hatte den Blickkontakt nur kurz unterbrochen, und schon stand ich plötzlich vor ihr.
Ich sah ihr wieder in die Augen und suchte darin nach einem Zögern, nach etwas, was mich abhalten könnte, fand aber nichts anderes darin als den Wunsch, geküsst zu werden.
Also trat ich noch näher an sie heran, bis ich ihren Körper spürte, der sich meinem entgegendrückte, nahm sie in die Arme, ganz langsam, vorsichtig, etwas unendlich Kostbares an mich pressend, als ob ich sie in mich aufnehmen wollte, und küsste sie.
Wie oft küsste ein Mann, ein Krieger, im Lauf eines sehr langen Lebens? Wie oft hatte ich Liebe versprochen, hatte es ernst gemeint oder gelogen, wie oft hatte ich schon die weichen Lippen einer jungen Frau gesucht? Man sagte, dass ein Mann alt werden konnte wie die Gebirge und seinen ersten Kuss nicht vergessen würde, eine alte Weisheit, die ich für eine Lüge hielt. Bis zu diesem Moment, denn erst jetzt küsste ich wirklich zum ersten Mal.
Wie oft hatte ich an anderes gedacht, während ich küsste? Wie oft waren meine Augen wach gewesen, der Kuss berechnend, eine Ablenkung, ein Spiel?
Meine Augen schlossen sich, und ich ging in ihren weichen Lippen unter, bar jeden Gedankens, Zweifels, Wunsches oder einer Absicht.
Wie lange dieser Kuss dauerte, würde ich nie wissen, er währte zu kurz und so lange wie die Ewigkeit zugleich. Als ich meine Lippen von den ihren löste, sah ich, dass auch sie die Augen geschlossen hielt. Sie öffneten sich nun ganz langsam.
Vieles sah ich in ihren Augen, in jenem zeitlosen Moment, aber von allen Dingen eines nicht: Berechnung. Sie gab sich mir, weil sie sich geben wollte und nicht aus einem Zweck heraus, und so schwand meine letzte Angst.
Einen Moment schämte ich mich des Gedankens, dass sie sich hätte irgendwie verkaufen wollen, dann schlugen die heißen Wasser über uns zusammen.
Später, viel später, als der Schnee im Kübel schon längst geschmolzen war und wir es uns auf den hölzernen Liegen bequem gemacht hatten, studierte ich sie, wie sie vor mir kniete, den schlanken Rücken mir zugewandt, die Hände auf ihren Oberschenkeln, während ich ihr Haar sanft bürstete, mit einhundert Bürstenstrichen, wie es meine Schwester mich einst gelehrt hatte.
Jedes Mal, wenn die Bürste durch ihr Haar fuhr, erschauerte sie wohlig und gab ein leises Geräusch von sich, das mich hin und wieder verleitete, ihre Schulter oder anderes zu küssen.
Aber irgendwann war der letzte Bürstenstrich getan und ihr weißblondes Haar erneut zu einem Zopf gebunden. Sie lag halb auf, halb lehnte sie an mir, ihr Kopf ruhte an meiner Brust, ihr Busen in meinen Armen.
Ich küsste sie sanft. »Warum?«
Sie antwortete lange nicht, ihr Atem ging so regelmäßig, dass ich hätte meinen können, sie schliefe. Aber ich wusste, dass sie meine Worte vernommen hatte.
»Warum ich mich dir hingab?« Sie sprach leise, aber ich verstand sie gut. Mir war, als ob ich sie verstehen könnte, wenn sie die Worte nur gedacht hätte.
»Ja.«
»Es gab viele, die mich wollten. Doch nie konnte ich mir sicher sein, ob sie mich um meiner selbst willen wollten oder nur das begehrten, was ich ihnen geben konnte.«
Ich dachte an die königlichen Hallen in der Kronburg zurück, ein Schlachtfeld, auf dem ich stets meine Flagge hatte streichen müssen, dort war sie aufgewachsen … Es war nicht ihr Vermögen. Es mochte für einen wie mich beachtlich erscheinen, für die Verhältnisse am Hof war es eher unbedeutend. Was war es, was man von ihr wollte? Ich wusste es. »Das Ohr der Königin?«
Sie nickte in meinen Armen. »Oft wurde ich gebeten, ihr dieses oder jenes auszurichten, sie zu befragen, gar sie zu belügen oder zu hintergehen. Aber das war nicht alles.« Sie legte den Kopf in den Nacken, so dass sie zu mir aufsehen konnte. »Dass das Blut der Elfen in meinen Adern fließt, ist unschwer zu erkennen. Ich brauchte lange, um erwachsen zu werden, und ich war länger Kind, als mir gut tat. Als ich dann zur Frau wurde, gab es viele hohe Herren, die sich mit meinem Bettblut schmücken wollten, eine Trophäe, etwas, was man einem Turnier gleich gewinnt, mit dem man angeben konnte. Nachdem mein Beinahe-Liebhaber dann verlauten ließ, ich würde das Bett mit jedem teilen, der mich nehmen wollte, hatte ich erst recht keine Ruhe …«
»Du willst mir aber nicht sagen, dass du dich
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