Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)
anschloss und genau das wurde, was dieser Jamal so verachtete. Und in all den Jahren betete ich, dass die Götter diesen Mann vor meine Klinge führen würden. Bevor ich ihn erschlagen wollte, würde ich ihm eine Frage stellen: Warum hatte er das Angebot meines Vaters abgelehnt? Ich weiß, dass mein Vater Gold genug bot, es ging also um etwas anderes. Was war es?«
Ich sah ihm geradewegs in die Augen. »Ich hatte eine Bedingung gestellt, die er nicht erfüllen wollte«, teilte ich ihm mit.
Janos’ Augen glitzerten. »Und die wäre?«
»Er wollte seinen Sohn mit auf diese Reise nehmen. Das Unterfangen war gefährlich, so gefährlich, dass die Reise sowieso schon einem Selbstmord glich. Ich hätte ihn geleitet, hätte er seinen Sohn zurückgelassen. Ich führe keine Kinder in die Schlacht.«
»Ist das wahr?«
Ich nickte.
»Es ist wahr«, bestätigte Leandra. »Ich kann es spüren.«
Janos sah mich lange an. »Ich habe keinen Grund mehr, an seinen Worten zu zweifeln, Sera. Er sagt nicht alles, aber das, was er sagt, glaube ich ihm. Ich wollte es nur nicht wahrhaben.«
»Wollt Ihr ihn nun erschlagen?«, fragte Leandra. Sie sah auf Steinherz herab, das in ihren Händen wartete. »Ihr werdet vorher auf meiner Klinge enden.«
Janos stieß sich von der Beckenkante ab und stieg langsam die Treppe herauf. Er trocknete sich ab und betrachtete uns. So, ohne seine verdreckten Kleider, sauber, die Haare glatt und nicht verfilzt, sah er stattlich aus. Ich konnte ihn mir ohne Schwierigkeiten in den Gewändern eines Handelsherrn vorstellen.
»Nein. Ich kann es nicht mehr«, sagte er dann. Er bückte sich und fing an, sich wieder anzukleiden. »Es kommt spät, aber ich sehe, dass ich mich irrte und in Eurer Schuld stehe, denn ich schulde Euch ein Leben. Meines. Ich mag ein Mörder, Halunke und Dieb sein, aber ich habe mir einen Rest Ehre bewahrt. Ich will Euch nicht länger stören.«
»Sollten sich unsere Wege irgendwann wieder kreuzen«, rief Leandra ihm hinterher, »werde ich Euch hängen lassen.«
»Und ich werde Euch um Euer Hab und Gut bringen!«, schallte es lachend zurück. »Ich bitte um Verzeihung für die Störung, macht weiter mit dem, wobei ich Euch gerade unterbrochen habe.«
»Ihr seid wahrhaft großzügig«, sagte ich. »Aber nun habe ich eine Frage.«
An der Tür hielt er inne. »Fragt.«
»Warum soll meine Antwort Euren Schwur nichtig machen?«
»Weil es die einzige Antwort war, mit der ich nicht rechnen konnte. Denn seht, ich bat meinen Vater, mich auf diese Reise mitzunehmen, rang ihm das Versprechen dazu ab. Ich ließ ihn auf alle Götter schwören, dass er mich mitnehmen würde. Also weiß ich nun, wer der Schuldige ist.«
Mit diesen Worten zog er die Tür hinter sich zu und ließ uns allein.
Wir sahen beide auf die geschlossene Tür. Dann, nach einer Weile, sah Leandra mich an. »Versteh mich nicht falsch, Havald, aber … irgendwie finde ich ihn beeindruckend.«
Ich nahm sie in die Arme. »Und doch meinst du es ernst. Du wirst ihn hängen.« Ich spürte mehr als ich sah, dass sie nickte.
»Ja. Falls wir dies überleben … Er hat zu viel gewagt.«
»Vielleicht liegt es in seiner Hand, ob wir hier heil rauskommen.«
»Nein«, sagte Leandra in bestimmendem Ton. Sie sah auf ihr Schwert Steinherz herab und legte es langsam zur Seite. »Das glaube ich nicht.«
31. Die Geschichte vom Wanderer
Als wir das Bad verließen, wartete Timothy bereits auf uns. Er hielt den Blick gesenkt und zitterte fast.
»Tut mir Leid, dass ich versagt habe. Ich … ich bin eingeschlafen.«
»Wie kam er durch die verschlossene Tür?«, fragte Leandra, aber Timothy schüttelte nur den Kopf. »Das weiß ich nicht, ich wachte auf und spürte sein Messer. Verzeiht, hohe Herrschaften, aber ich hatte Angst.«
»Hat denn hier jeder einen Schlüssel?«, knurrte sie, als sie sich anzog. Diesmal war es mein Vergnügen, ihr zu helfen.
»Es muss kein Schlüssel sein. Ich selbst kenne mich mit Schlössern nicht aus, aber ich weiß, dass es Möglichkeiten gibt, sie zu überwinden.«
»Ja. Das nennt sich Dietrich.« Sie half nun mir beim Ankleiden. Es war ein Genuss, in trockene, warme Sachen zu steigen.
Bisher waren versperrte Türen etwas, das ich respektierte oder dem ich mit einer Streitaxt zu Leibe rückte. Oder einem Rammbock.
Als wir in den Gastraum zurückkehrten, eilte der Wirt auf uns zu. »Ihr seid sehr lange weggeblieben, ich war schon besorgt!«
Ich sah Sieglinde auf den Tischen stehen und konnte seine
Weitere Kostenlose Bücher