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Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)

Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)

Titel: Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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hier …
    »Lasst uns gehen«, sprach ich.
    »Ja, sogleich. Ich würde nur gerne wissen, was diejenigen suchten, die gestern hier heruntergeklettert sind. Es sieht alles unangetastet aus.«
    Sie hatte Recht. Die Toten waren nicht angerührt worden, die Türen auch nicht. Nur der Quader, an dem das Seil befestigt war, war erst kürzlich bewegt worden.
    »Ich glaube«, sagte ich schließlich, »sie bereiteten nur den Weg. Sie hatten wohl nicht viel Zeit.«
    »Vielleicht.« Sie sah sich immer noch suchend um. »Hier. Der Packen ist durchwühlt worden.«
    Eines der Bündel der Toten war geöffnet worden. Das Eis war nur an der Seite gebrochen, hielt die lederne Klappe immer noch in einem Panzer, deshalb hatte ich es nicht gesehen. Oder meine Augen waren nicht mehr das, was sie einmal waren.
    Ich öffnete den Packen, fand dort aber nichts Besonderes. Ein Satz Kleidung, steif gefroren durch die Kälte, ließ allerdings einen Raum frei, als ob dort etwas gewesen wäre. Faustgroß müsste es in etwa sein. Aber was es sein mochte, ließ sich nicht erkennen.
    »Gehen wir«, drängte Lea. Ich nickte und löschte die Ölschalen. Das Licht der Laterne erschien auf einmal unzureichend, im Flackern der kleinen Flamme glaubte ich zu sehen, wie die Toten sich bewegten, mich anstarrten, als ob sie mir etwas sagen oder zeigen wollten. Die Reliefs an den Türen taten es ihnen gleich, auch sie schienen nunmehr auf unwirkliche Art lebendig zu werden und nur darauf zu warten, über mich herzufallen.
    »Ja, gehen wir«, sagte ich. Meine Stimme klang brüchig, also räusperte ich mich. Irgendwie ließ das Echo es so erscheinen, als wäre es der Wachende gewesen, der sich räusperte, und nicht ich.
    Sie stand schon am Seil. In ihrem Gürtel sah ich das Brecheisen, das ich fallen gelassen hatte. Sie hatte auch daran gedacht. Ich sah ihr nach, wie sie sich scheinbar mühelos am Seil nach oben zog, nur durch die Kraft ihrer Arme, und folgte ihr dann wesentlich weniger graziös, elegant oder schnell. Meine Befürchtungen waren berechtigt, der Aufstieg ging beinahe über meine Kräfte hinaus; ich fürchtete schon, dass ich hinabfallen würde in diesen eiskalten Raum der Toten. Das Grauen, das mich bei diesem Gedanken durchfuhr, ließ mich den Schacht weiter erklimmen, obwohl meine Kräfte schon längst aufgebraucht waren.
    Am oberen Ende angekommen, war ich für ihre Hilfe dankbar, als sie mich heraufzog. Meine Schultern brannten wie Feuer, und meine Hände bluteten – ich war zweimal abgerutscht, als mein Griff unsicher wurde. Keuchend rollte ich mich zur Seite, lag auf dem kalten Boden des Turmkellers und schwitzte unter dem alten Fellmantel. Verglichen mit der Kälte dort unten war es hier warm.
    Ich blieb liegen, zu ermattet, um auch nur einen Finger zu bewegen, und sah Leandra zu, wie sie die Platte wieder an ihren Ort brachte, den Schacht verschloss und auch das Brecheisen dahin zurücklegte, wo ich es gefunden hatte.
    Dann hielt sie mir die Hand hin. Mit ihrer Hilfe stand ich auf und fühlte mich steif, alt und wertlos.
    Ich brauchte erneut ihren Rückhalt, um meinen Kettenmantel anzulegen. Sie sagte nichts, half nur. Ab und zu sah ich, wie ihr Blick nachdenklich auf mir ruhte.
    Der Aufstieg zum Turmraum war wie eine Erlösung. Wir folgten dem Beispiel des Wirts. Der Riegel wurde sicher vorgelegt und die Fässer wieder auf die Falltür gerollt.

15. Eine besondere Traube
     
    Als Leandra die Turmtür hinter uns verschloss, kam mir die Wärme des Gangs zum Gastraum wie eine Wohltat vor, obwohl auch hier die eine oder andere Eisblume an der Wand wuchs.
    Ich fühlte mich zerschlagen und wie betäubt. Der Anblick dieses eiskalten Orts des Todes dort unten hatte mich gelähmt, meine Gedanken konnten ihn nicht verlassen, ständig sah ich das wachsfahle Gesicht des Wachenden vor meinen Augen, und ich konnte mich nur schwerlich wieder zurechtfinden. Fast benommen suchte ich instinktiv die Wärme des Gastraums, aber Leandra hielt mich am Arm fest.
    »Sollten wir nicht darüber reden?«
    Ich schüttelte nur den Kopf. Mir stand der Sinn nach einem heißen Grog; ich musste etwas Warmes spüren. Sie sagte nichts mehr, sondern folgte mir nur. Ich verspürte Erleichterung, als ich feststellte, dass sich alle sechs Briganten zu Bett begeben hatten, dann stellte ich fest, dass auch Sieglinde fehlte. Ich konnte fühlen, wie sich mein Magen verkrampfte. Vor Scham. Ich war wohl so feige geworden, dass ich ein Mädchen opferte, anstatt mich den Dingen zu

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