Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)
sagte ich etwas spitz.
Zokora machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nein. Lykantropie ist eine Krankheit. Elfen werden nicht krank.« Sie sah zu Leandra hinüber. »Wenigstens nicht die Dunkelelfen.«
»Li-ka … was?«, fragte Janos.
»Die Wolfskrankheit. Lykantropie. Wird man unter dem vollen Mond gebissen, kann man selbst zu einem Wolf werden. Wenn man Mensch ist. Das nennt man dann so.«
»Was wisst Ihr darüber?«, fragte ich sie.
»Nichts. Ich hielt es für eine Legende. Aber das ist das, was ich im Tempel darüber lernte.«
Ich sah sie etwas misstrauisch an, aber sie begegnete meinem Blick nur gleichgültig.
»Was hat der Wolf getan?«, fragte Leandra.
»Er hielt eine Kiste in der Pranke, als er sich zu mir umdrehte. Er schien wirklich erstaunt. Was am deutlichsten dem Ungeheuer aus den Legenden entsprach, waren seine Klauen. Seine Pranken haben die doppelte Spannweite meiner Hände, und die Klauen selbst sind so lang wie mein kleiner Finger. Die Zähne … sie sind auch nicht leicht zu übersehen und so stabil wie die eines Bären und nicht minder lang und scharf.«
»Das war es?«
»Ja. Bis auf eines. Er trug eine silberne Kette mit einem Anhänger um den Hals.«
»Silber?«, fragte ich. »Ich dachte, Werwölfe könnten kein Silber berühren.«
»Man sagt, sie seien nicht in der Lage, die Wunden, die von Silber geschlagen werden, zu heilen«, meldete sich Janos überraschend zu Wort.
»Menschen können gar nichts heilen und tragen trotzdem Eisen und Stahl.« Zokora wieder.
»Wie nüchtern wart Ihr?«, wollte Rigurd wissen. »Gestern Abend habt Ihr dem Wein recht ordentlich zugesprochen.«
Varosch schüttelte den Kopf. »Nein, es ist nicht der Wein, der mich Dinge sehen ließ, die nicht da waren.«
»Gut«, Zokora stand auf. »Entweder wir gehen jetzt hin und sehen nach oder ich ziehe mich mit meinem Liebhaber zurück. Ich muss hier nicht dumm herumsitzen.«
»Also schön. Lasst uns die Kreatur jagen«, meinte Janos.
Ich wandte mich an Zokora. »Ich dachte, Elfen leben ewig. Wo bleibt Eure Geduld?«
»Das hat weniger mit Geduld zu tun als mit dem Sinn des Unterfangens.«
»Ihr zweifelt noch immer an dem Werwolf?«
»Ja. Ich glaube dem Mann. Aber es gibt keine Werwölfe.« Sie blieb stehen. »Was es allerdings gibt, sind Flüche.«
Ich warf ihr einen Blick zu. »Ihr meint Magie?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Flüche sind etwas anderes. Etwas Schlimmeres.« Sie hatte einen seltsamen Ausdruck in ihren Augen. »Ich bin der Unterhaltung müde.«
24. Seelenreißer
Varosch hatte Recht. Es war mörderisch kalt in der Schmiede, aber hell, so hell, dass es mir vorkam, als wäre ich in die Sonne getreten. Alles in der Schmiede war von einer glitzernden Schneeschicht überzogen. Die Sonne fiel im Moment durch die Lüftungsspalten im Dach herein und erleuchtete die ganze Werkstatt wie einen Eispalast; der weiße Schnee reflektierte das Licht in jeden Winkel. In den letzten zwei Tagen hatte ich vergessen, was Helligkeit war. Spuren führten durch den Schnee von hier durch die Schmiede zur Tür des Lagers. Seitdem wir gestern dem Wirt gefolgt waren, waren Dutzende neue Spuren hinzugekommen, hier war nichts Auffälliges zu erkennen. Eine einzelne Spur löste sich aus der breiten Fährte und wanderte durch die Schmiede, verharrte hier und dort, an Punkten des Interesses. Bis dahin hatte Varosch also die Wahrheit gesagt.
Wie jede Tür im Gasthof war auch diese mit einem schweren Riegel versehen. Eine Seite der eisernen Sperre war an einem Bolzen fixiert, normalerweise stand sie senkrecht am Rahmen. Man musste sie nur herumwerfen, dann fiel sie in die Halterungen an der Tür. So war es hier. Ich musterte den Riegel. Er mochte vielleicht um die dreißig Pfund wiegen. Ich sah die anderen an. Nun, diese Tür bekam auch ein Werwolf wohl nicht so leicht auf. Wahrscheinlich war er zwischenzeitlich im Stall und hatte sich an den Tieren gütlich getan. Der Schutz des eisernen Riegels war jemandem offensichtlich nicht genug gewesen, er hatte das Zeichen der Dreieinigkeit in das altersdunkle Holz der Tür geritzt, ein Bündel Wolfswurz war an den oberen Türrahmen genagelt worden, und ein Strang Knoblauch spannte sich quer über das Türblatt. Knoblauch?
»Ich glaube, da hat jemand seine Ungeheuer verwechselt.« Lea grinste. Ich sah zum Wirt hinüber. »Ich war’s nicht«, teilte er mir mit.
Zokora schüttelte verständnislos den Kopf. »Wollt ihr nun den Werwolf erschlagen oder hier dieses
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