Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)
dem Gold in Eurer Truhe interessiert sein«, sagte Leandra. »Die Waren sind zu schwer zu transportieren.«
Ich schob die Münze auf dem Tisch hin und her. »Mir ist an dieser Münze etwas anderes aufgefallen«, sagte ich dann. »Sie ist … wie sagt Ihr gestern Abend, Wirt? Sie ist prägefrisch. Sie war nie im Umlauf.« Ich sah vom Wirt zu Leandra. »Ich glaube, Janos ist wegen etwas anderem hier als dem Gold in deiner Truhe.«
»Ihr meint …«, sagte der Wirt leise, fast andächtig.
»Ja«, bestätigte Leandra. »Wo die hier herkommt, liegen wahrscheinlich noch andere.«
»Und das erklärt auch, warum unser Halsabschneider so brav ist«, sagte ich.
»Brav will ich das nicht nennen!«, begehrte der Wirt auf.
»Ihr wisst, wie ich das meine. Er und seine Kumpane hätten ganz anders auftreten können.«
»Es bleibt nur eine Frage zu klären«, meinte Leandra.
Ich nickte. »Ja. Haben sie das Gold schon gefunden oder suchen sie es noch?«
Wie auf Bestellung hörte ich Fußgetrampel auf der Treppe und laute Stimmen: Die Briganten waren auf dem Weg zu ihrem Bier.
Für hart feiernde Mörder und Halunken gingen sie immer früh schlafen und wachten erst recht spät wieder auf.
Ich schob die Münze dem Wirt zu. »Es wird Zeit, dass wir uns um unseren Werwolf kümmern, oder was immer es ist.«
»Wie willst du vorgehen?«, fragte Leandra.
»Am liebsten gar nicht. Aber ich frage einfach mal nach, ob noch jemand Lust auf eine kleine Jagdpartie hat.«
23. Varoschs Bericht
Ich begab mich zu Zokora hinüber, die noch in aller Ruhe frühstückte und sich dabei von Rigurd bedienen ließ.
»Zokora.«
»Du störst schon wieder.«
»Ihr tut mir Leid, ständig werdet Ihr von Menschen belästigt.«
»Richtig«, bestätigte sie trocken. Ich befürchtete, die Ironie ging an ihr vorbei.
»Eine der Wachen sagt, er habe den Werwolf im Lager eingesperrt.«
»Gut«, sagte sie und gab Rigurd zu verstehen, dass er ihre Tasse auffüllen möge. Das tat er auch brav.
»Ich brauche Eure Hilfe.«
»Warum sollte ich dir helfen?« Ihr Ton verriet mangelndes Interesse an der Antwort.
»Weil ich denke, dass das Wolfsgetier keinen Unterschied zwischen uns armseligen Menschen und den edlen Dunkelelfen macht.«
»Ist das Ironie?«
Jetzt war ich überrascht. Hatte sie eben meine Gedanken gelesen? »Wieso?«
»Weil ich weiß, dass du dich für wichtig hältst. Und nicht wirklich glaubst, dass ihr minderwertiger als Elfen seid.«
Ich sah sie an. »Ja, das war Ironie.«
Sie schaute durchdringend zurück. Dann stand sie auf und wickelte Rigurds Leine von ihrer Hand. »Mein Schwert.«
Wortlos reichte er es ihr. »Ich komme mit«, sagte er dann.
Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um.
»Nein.« Langsam setzte er sich wieder hin. »Aber warum?«
»Das ist nichts für dich. Du würdest uns nur behindern.« Sie richtete sich an mich. »So wie du wahrscheinlich auch.«
Ich machte eine vage Handbewegung. »Ich werde die Verantwortung tragen.«
Wieder dieser unverwandte Blick. »Das«, sagte sie dann, »ist keine Ironie.«
Ernst nickte ich.
»Gehen wir.«
Ich warf einen Blick zu den Briganten hinüber. Sie beschwerten sich gerade lautstark, dass Sieglinde nicht da war. »Einen Augenblick noch.«
»Was willst du, alter Mann?«, fragte Janos mit einem breiten Grinsen. »Den Altersschilling schon versoffen, und nun bei uns abstauben?«
Ich blieb neben dem Tisch der Briganten stehen. »Ich dachte, ich frage mal, ob Ihr den Mut habt, Euch einem Werwolf zu stellen.« Einer der Briganten sprang auf, aber Janos gab ihm, ohne ihn anzusehen, ein Zeichen, woraufhin dieser sich wieder setzte.
»Es gibt keine Werwölfe«, sagte Janos dann.
»Gut, dann jagen wir einen großen Hund. Umso besser. Also, wie ist es, habt Ihr den Mumm, Janos Dunkelhand, oder reicht er nur dazu, einen Gasthof in Furcht und Schrecken zu versetzen?«
»Für Furcht und Schrecken bist du ganz schön mutig«, sagte er dann leise. Es klang bedrohlicher so, und seine Augen musterten mich, als ob er überlegen wollte, wo er mit dem Dolch ansetzen sollte, wenn er mir die Haut in Streifen abzog.
Ich antwortete nicht.
»Oder ist es, weil du schon so alt bist, dass es dir nichts mehr ausmacht zu sterben?«, fragte er dann.
»Ich lebe genauso gerne wie Ihr.«
»Der Werwolf ist junge saftige Knochen gewohnt. Wahrscheinlich will er ohnehin keine alten, zähen Soldaten fressen. Du warst doch Soldat, nicht wahr?«
Ich nickte. Kein Grund, das zu verheimlichen.
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