Das erste Jahr ihrer Ehe
hineinfressen konnte.
Margaret hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Sie wollte nicht, dass Arthur ihr Gesicht sehen musste, wenn er aufblickte. Gab auch er ihr die Schuld, wie ja offensichtlich alle anderen? War sie schuld daran, dass Diana sich über Arthurs kleine Aufmerksamkeiten ihr gegenüber aufgeregt hatte? Hatte sie damit Dianas Ärger und Ungeduld heraufbeschworen? Oder vielleicht mit ihrer unendlichen Langsamkeit auf der Wanderung, die ständig die ganze Gruppe gezwungen hatte, auf sie zu warten? Wie viel Zeit hatten sie durch Margarets Säumigkeit verloren? Oder hatte einfach der Anblick der vereinten Hände, als sie erwachte, Diana mit einem Zorn erfüllt, der jede Vernunft verdrängte?
Margaret fragte sich, wie Arthur bei der Szene vor der Hütte die Dinge dargestellt hatte. Margaret habe in heller Angst seine Hand gepackt? Sie habe nicht mehr losgelassen? Er sei so müde gewesen, dass er sie einfach habe gewähren lassen und wieder eingeschlafen sei? Oder war von draußen genug Laternenlicht in die Hütte gefallen, um Diana zu zeigen, dass Arthurs Hand über Margarets gelegen hatte? Hatte sie dies der Litanei vermerkter Kränkungen angefügt, die sich im Lauf der Zeit angesammelt hatten: Wie sie eines Tages Margaret, eine völlig Fremde, mit einem Drink in der Hand in ihrem Salon vorgefunden hatte; wie Arthur Margaret die Hand auf die Schulter legte, als er aufstand, um ihr einen Whiskey zu holen; wie er sie oben in den Ngong Bergen anstarrte, als sie nackt war (während Willem so gescheit gewesen war, sich abzuwenden); wie er sich zurückfallen ließ, um Margaret aufzumuntern, oder wie er erst am vergangenen Abend seinen Schokoriegel mit ihr geteilt hatte? Hatte Diana das alles beobachtet?
Einzig Willem schien ohne Vorwurf. Ihn beschäftigte, genau wie sie, die Vorstellung, Arthur könnte auf dem Gletscher durchdrehen und etwas tun, das ihrer aller Sicherheit gefährdete. Willem, vermutete Margaret, würde Arthur nicht von der Seite weichen. Voraus der Führer, dann Arthur, dann Willem. Willem würde mit einem Pickel ausgerüstet sein und ihn, sollte Arthur stolpern oder stürzen, tief ins Eis schlagen, um dafür zu sorgen, dass der Rest der Gruppe nicht ins Schlingern geriet.
Die Ranger von Top Hut trafen ein.
Sie schafften die Überquerung ohne Zwischenfall, wenn auch im Schneckentempo. Mit jeder Minute auf dem Gletscher wuchs das Risiko, dass Arthur Diana nachstürzen würde, um ihr an den Ort zu folgen, an dem er sie verloren glaubte. Als sie endlich auf der anderen Seite waren, ging der Führer voraus. Die beiden Ranger führten Arthur den Berg hinunter, wobei bald der eine, bald der andere ihn beim Arm nahm. Patrick und Willem folgten dichtauf. Sie rannten nicht; der Führer zwang sie, langsam zu gehen, obwohl das beinahe unmöglich schien auf dem Schotter, den man am liebsten im Sitzen hinuntergerutscht wäre. (Willem hatte vor einem »gehäuteten Hintern« als Konsequenz gewarnt.) Der Abstieg über den Sumpf war beinahe so schlimm wie der Aufstieg. Margaret bekam unterwegs starke Bauchkrämpfe und musste sich immer wieder mit heftigem Durchfall in die Büsche schlagen. War das eine Art umgekehrter Höhenkrankheit? Oder hatte der Schock auch ihren Körper aus dem Gleichgewicht gebracht? Sie fühlte sich schwach und zittrig, manchmal kaum fähig, noch einen Schritt zu gehen. Sie packte die Medikamente aus und nahm einen Teelöffel Imodium. Nachdem sie ein paarmal gestolpert war, bemerkte sie, dass der Koch, dessen Namen sie nicht kannte ( dessen Namen sie nicht kannte!) , in ihrer Nähe blieb, für den Fall, dass sie stürzen sollte. Nach dem Sumpf schüttelte Arthur die beiden Ranger ab und ging allein zum Parktor. Er schien einen Teil seiner inneren Kraft zurückgewonnen zu haben und wollte jetzt eine Rettungsaktion starten. Patrick bot dem Führer ein großzügiges Trinkgeld an, aber der Mann nahm das Geld nicht.
In der Lodge erklärte man Arthur, dass wenig Hoffnung auf Rettung bestand und man wahrscheinlich nur einen Leichnam bergen würde. Er ließ sich kraftlos in einen Sessel fallen. Eine halbe Stunde später war er wieder auf den Beinen und machte sich auf unangenehme Weise wichtig – rücksichtslos und grob –, obwohl man ihm das kaum übel nehmen konnte. Er telefonierte: mit der Polizei, mit einem Freund in Langata, mit James. Vielleicht auch mit Adhiambo, die die Kinder hütete. Auch das stand ihm noch bevor: den Kindern zu sagen, dass ihre Mutter tot
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