Das erste Jahr ihrer Ehe
und vom Eis befreit werden mussten, das sich nach einer Schmelze eventuell angesammelt hatte. Nachdem die ersten fünf Stufen geschlagen waren, betrat Margaret zum ersten Mal das Eis. Die einzelnen Stufen fielen leicht ins Eis ab – nicht so stark, dass man nach vorn kippte, aber doch so weit, dass bei einem kleineren Ausrutscher nicht gleich die ganze Gruppe umgerissen wurde.
Margaret wagte einen Blick den Gletscher hinunter und stellte fest, dass sie nicht einmal sein Ende sehen konnte. Sie riss den Kopf in die Höhe. Den Hang über sich wollte sie auch nicht sehen, also blickte sie unverwandt geradeaus auf die Füße des Trägers, der vor ihr ging, und verfolgte jede seiner Bewegungen. Ging er vorwärts, so tat sie es auch. Hielt er an, hielt sie auch an. Sie nahm an, dass Patrick ihr in ähnlicher Weise auf die Füße schaute.
Sie kamen langsam vorwärts. Die Stufen mussten neu geschlagen oder nachgeschlagen werden. Jede war eine kleine Skulptur, deren Tauglichkeit von der Kunst des Führers abhing. Margaret war bis dahin nicht bewusst gewesen, wie sehr sie sich auf den Mann würden verlassen müssen. Ein Fehler von ihm, und die ganze Gruppe konnte abrutschen und nur noch an einem Seil, das vorn und hinten gehalten wurde, im Eis hängen. Margaret fand diese Überlegungen wenig hilfreich und begann zur Abwechslung zu zählen. Das tat sie oft, wenn ihr auf einer Wanderung langweilig wurde. Es half die Zeit vertreiben. Eins, zwei, drei, vier – in einer Art Marschrhythmus. Sie hielt die Arme ausgebreitet wegen des Gleichgewichts, eine Grundvoraussetzung. Die Sicherheit jedes Einzelnen hing unmittelbar von jedem anderen ab.
Es dauerte etwa zwanzig Minuten, bis der Führer die Mitte des Gletschers erreichte. Margaret wusste, was hinter ihr lag. Die lockere Haltung des Trägers vor ihr machte ihr Mut. Er hatte den Gletscher schon Dutzende Male überquert, wenn nicht öfter. Wäre er mitgegangen, wenn er nicht wüsste, dass es sicher war?
Für ihn war das Ganze nur mühsam und langweilig. Sie konnte es kaum erwarten, die andere Seite zu erreichen, sehnte sie mit jedem Schritt heißer herbei.
»Was zur Hölle tut sie da?«, rief Patrick plötzlich.
Margaret blickte nach oben. Sie sah etwas Rotes in schneller Bewegung. Der Führer schrie etwas. Diana schien sich auf einer anderen Spur unmittelbar oberhalb von ihnen zu bewegen. Ihre Haltung, der vorgebeugte Körper, drückte Ungeduld mit dem bedächtigen Voran des Führers aus. Margaret begriff, dass Diana sich vom Seil abgekoppelt hatte.
»Diana, halt!«, schrie Arthur. »Komm zurück.«
Der Führer schrie ebenfalls. Über ihnen schlug Diana sich ohne Pickel und Seil ihre eigenen Trittstufen ins Eis.
»Diana!«, brüllte Arthur.
Margaret beobachtete Diana, die entweder mit dem Innenrist oder der Seite ihres Stiefels ins Eis hackte, je nachdem, welchen Fuß sie sichern wollte. Sie war jetzt etwas höher als der Führer, der versuchte, mit ihr Schritt zu halten. Die Gruppe ging mit. Das Eis war etwas weicher geworden, sodass Diana mit jedem Schritt einen provisorischen Absatz hineinschlagen konnte.
»Haltet sie auf!«, schrie Patrick. »Los doch! Irgendjemand muss sie aufhalten.«
Diana war die ganze Zeit auf dem Sprung gewesen. Vielleicht hatte ihr die Höhe schließlich doch zugesetzt und beeinträchtigte ihr Urteilsvermögen. Sie hielt die Arme ausgebreitet, aber Margaret konnte erkennen, dass die Kraft, die es brauchte, neue Stufen zu schlagen, eine Gegenkraft hervorrief, die Dianas Körper vom Hang wegtrieb, sodass es schwieriger wurde als zuvor, das Gleichgewicht zu halten. Als könnte er sie mit der schieren Kraft seiner Stimme dazu bewegen, ihm zu gehorchen, schrie Arthur Diana flehentliche Bitten zu.
Aber Diana gehorchte niemandem, wie sie alle wussten.
Plötzlich schlug sie auf das Eis hin, die Beine verdreht, geriet ins Rutschen und schlidderte am Führer vorbei. Margaret konnte nicht glauben, was sie sah. Der Führer schnellte vor, um den weißen Pelz von Dianas Kapuze zu packen. Sie drehte sich und versuchte seine Hand zu fassen. Als sie sie verfehlte, riss sie sich einen Handschuh herunter, um sich mit den Fingernägeln ins Eis zu krallen. Sie schlug gegen einen Buckel, an dem sie sich festzuklammern suchte, aber Schwerkraft und Geschwindigkeit waren stärker. Das Letzte, was Margaret von Diana sah, als diese in die gähnende Spalte stürzte, war ein Flecken Rot, der außer Kontrolle dem Abgrund entgegenwirbelte.
Es war entsetzlicher als
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