Das erste Jahr ihrer Ehe
waren von breitkrempigen Hüten beschattet, und Margaret sah kaum jemanden, den sie kannte. Sie suchte nach Willems massiger Gestalt, konnte sie aber nicht finden. Waren er und Saartje verreist? Der Gottesdienst war überraschend förmlich und dauerte beinahe eine Stunde. Als sie alle aus der dämmrigen Kirche ins grelle Licht der Mittagssonne hinaustraten, flüchteten viele Trauergäste in ihre Autos. Im Großen Haus fand ein Empfang statt, an dem Patrick und Margaret aber nicht teilnehmen würden. Sie mussten packen. Über Freunde eines Bekannten hatten sie in Karen, einem anderen Vorort von Nairobi, ein Haus gefunden, das sie während einer längeren Abwesenheit der Eigentümer versorgen sollten. Sie hatten wenig Besitz, das Packen war einfach.
Margaret wollte aber auf keinen Fall gehen, ohne sich von Arthur zu verabschieden. Sie warteten an der Treppe vor der Kirche, die Hände über den Augen, um das Sonnenlicht abzuwehren. Als Arthur endlich heraustrat, war er allein. Die Kinder waren mit einer Frau vorausgegangen, die Margaret nicht kannte. Patrick ging auf Arthur zu, und Margaret folgte. Patrick bot ihm die Hand und sagte, wie leid es ihm tue. Arthur war in Trauerkleidung mit einem dunklen Seidentuch in der Brusttasche. Sein braunes Haar war glatt zurückgestrichen, wie pomadisiert, aber ungewaschen. Patrick sagte, er würde die Schlüssel zum Cottage auf den Tisch legen. Arthur nickte, dann blickte er über Patricks Schulter hinweg Margaret an. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke, eindeutig und unmissverständlich.
Unverkennbar konnte Margaret in seinem Blick das Bewusstsein gemeinschaftlicher Schuld erkennen.
Teil 2
D u bist dir sicher, dass du mitkommen willst?«
»Absolut.«
»Manches wird nicht schön anzusehen sein«, warnte Patrick.
»Ich weiß.«
»Ich dachte nur, du würdest vielleicht sehen wollen, was ich den ganzen Tag so tue.«
»Das möchte ich auch. Ich bin froh, dass du mich mitnehmen willst.«
Auf dem Parkplatz des Mathari Hospitals, das früher einmal Mathari Nervenheilanstalt geheißen hatte, stiegen sie aus dem Wagen. Es war immer noch ein psychiatrisches Krankenhaus, auch wenn die stigmatisierende Bezeichnung abgeschafft worden war. Die Regierung erwog eine weitere Namensänderung in Muthaiga Krankenhaus, um das Image der Einrichtung zusätzlich aufzupolieren. Bei Mathari dachte man an Schmutz und Elend, bei Muthaiga hingegen stellten sich ganz andere Assoziationen ein: von einem Tummelplatz der reichen weißen Gesellschaft einer vergangenen Generation.
Margaret fühlte die Hitze des Asphalts durch ihre Schuhsohlen. Sie trug ihren Fotoapparat, Patrick seine Arzttasche. Er hatte sich vor Kurzem die Haare schneiden lassen. An den Stellen, die früher von Haar bedeckt gewesen waren, war seine Haut weiß, was ihn seltsam jungenhaft wirken ließ.
Es war das erste Mal, dass Patrick Margaret aufgefordert hatte, ihn in das Krankenhaus zu begleiten, wo er seinen wissenschaftlichen Forschungen nachging. Sie vermutete, dass dies seine Art war, eine gewisse Anstrengung zu unternehmen, um ihre Ehe zu retten, die seit dem Streit über die Ereignisse auf dem Mount Kenya feststeckte. Drei Monate waren vergangen, und die Beziehung hatte sich nicht verschlechtert, aber sie war auch nicht besser geworden. Margaret besaß zwar kaum Erfahrung mit der Ehe, aber dass dieser Stillstand nicht gut war, spürte sie, zumal sie sich beide nicht damit wohlfühlten.
Sie waren in das Haus in Karen umgezogen, zunächst erschrocken über seine Größe: ein Mittelding zwischen dem Großen Haus, das an den kenianischen Verkehrsminister verkauft worden war, und ihrem Cottage. Ihr neues Heim war mit Antiquitäten und orientalischen Objekten eingerichtet, und zum Inventar gehörte im Übrigen ein Hausangestellter namens Moses. Moses erledigte für Patrick und Margaret, was James für Arthur und Diana erledigt hatte, und die Hauseigentümer, ein Ehepaar aus Australien, hatten ihren Mietern unmissverständlich klargemacht, dass Moses nicht zu übernehmen, nicht in Frage kam. Er war ein fester Bestandteil ihres täglichen Lebens, und sie wollten sicher sein, dass er noch da war, wenn sie in sechs Monaten nach Hause zurückkehrten.
Moses war ein guter Koch und legte Margaret jeden Morgen eine Einkaufsliste zur Bewilligung vor: Garam masala, Riesengarnelen, Ghee, Kiwi Kleen Toilettenreiniger. Er verfügte über ein breites Repertoire an Hauptgerichten, und bisher hatte sie ihn noch mit keinem Gericht
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