Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
Vom Netzwerk:
Gruppe Männer, die vor flachen, mit weißer Farbe gefüllten Schalen saßen und den Frauen, je nachdem, ob sie Kinder hatten oder nicht, die Gesichter, den Rücken oder den Einschnitt zwischen den Brüsten bemalten.
    Danach gesellten sich die Frauen zu einem wachsenden Halbkreis ihrer Geschlechtsgenossinnen, die ebenfalls zu singen und zu tanzen begannen. Ein Rudel Männer, inzwischen ziemlich betrunken, schritt ihre Reihen ab und spie oder spritzte jeder Frau Honigbier zuerst auf die Arme und dann zwischen die Brüste. Sobald sie von den Männern diesen Segen empfangen hatte, musste die Frau aufhören zu singen und sich setzen. So versiegte allmählich aller Gesang. Die Symbolik war offenkundig.
    Gleich zu Beginn der Zeremonie hatte Margaret ihren Fotoapparat herausgeholt und einige Aufnahmen gemacht. Sie und Aarya hatten nicht gefragt, ob sie bei der Zeremonie fotografieren dürften, und Margaret wollte ihren Apparat nicht gern zeigen. Aber sie wollte doch das Wesentliche des Rituals festhalten, die Interaktionen zwischen Männern und Frauen. Nachdem sie ungefähr eine Viertelstunde lang schnell und nervös Bilder geschossen hatte, zupfte Aarya sie am Ärmel und wies auf ein Dutzend Massai-Ältester, die den Kombi umringten. Sie legte den Fotoapparat auf dem Metalldach ab, es sah aus, als entledigte sie sich nicht eines harmlosen Gerätes, sondern einer Waffe.
    Einer der Männer redete mit der Geschwindigkeit eines Schnellfeuergewehrs auf Aarya ein und diese dolmetschte für Margaret. Der Mann verlangte Geld. Wenn er nach Nairobi reise, um sich fotografieren zu lassen, koste ihn das dreißig Schillinge, erklärte er. »Wenn ihr uns dieses Geld gebt«, sagte er, »kann es an einem Tag weg sein. Es ist so leicht ausgegeben. Aber wenn ihr eure Fotografien bekommt, halten sie hundert Jahre.«
    Während Margaret zuhörte, kletterte hinter ihr ein Junge auf den Kombi und schnappte sich den Fotoapparat. Sie bekam Angst, und obwohl sie ihren Apparat wiederhaben wollte, konnte sie sich nicht vorstellen, hinunterzuklettern und den Männern, deren Gruppe jetzt auf vierzig oder fünfzig angewachsen war, gegenüberzutreten. Alle trugen Speere oder Pangas. Karim, der innerhalb des Kreises gestanden und die Zeremonie verfolgt hatte, kam zum Kombi und sprach lange mit einem der Ältesten. Dann schaute er zu Margaret hinauf und erklärte, sie müsse entweder den Film herausgeben oder eine Strafe von dreitausend Schillingen bezahlen. Margaret nickte, ja, sie werde ihnen den Film geben. Sie wollte nur den Fotoapparat zurückhaben. Aber nach eiliger Beratung setzten die Massai Karim von einer neuen Entscheidung in Kenntnis. Sie würden die Angelegenheit nicht weiter mit Margaret besprechen, teilte einer der Männer mit. Sie sei eine Frau, und da Frauen kein Besitz erlaubt war, gehörte der Fotoapparat nach Ansicht der Ältesten nicht Margaret, sondern ihrem Ehemann. Ob sie einen Ehemann habe? Margaret bejahte. Dann, wurde ihr erklärt, müsse sie am folgenden Tag ihren Mann herschicken, und die Angelegenheit werde mit ihm geregelt werden.
    »Aber der Apparat gehört mir«, protestierte Margaret. »Mein Mann hat nichts damit zu tun. Der Fotoapparat ist mein Eigentum.«
    »Sie können nicht mit diesen Männern reden«, sagte Karim, der inzwischen aufs Dach des Kombis geklettert war. »Sie hören Ihnen gar nicht zu.«
    »Tun Sie, was sie wollen«, flüsterte Aarya ihr zu.
    Am nächsten Morgen fuhr Patrick mit Karim zurück in das Kreisdorf. Patrick entschuldigte sich bei einem Ältesten für das Benehmen seiner Frau, bezahlte ein kleines Bußgeld und bekam den Fotoapparat zurück.
    Als er mit dem Apparat in der Hand wieder zu Hause ankam, wirkte er trotz der langen Fahrt ins Rift und wieder zurück lediglich leicht amüsiert über die ganze Episode.
    Margaret hingegen war wütend. »Siehst du eigentlich überhaupt nicht, wie erniedrigend das für mich ist? Für alle Frauen.«
    »Natürlich ist es erniedrigend. Genau darum geht’s doch.«
    »Und dich stört das gar nicht?« Sie starrte ihren Fotoapparat an, der auf dem Tisch im Flur lag.
    »Nein, eigentlich nicht«, antwortete er.
    »Wie kannst du das sagen?« Ihre Stimme wurde laut.
    »Wir leben nicht in dieser Kultur, Margaret. Wir empfinden nicht so. Die Massai haben eine andere Kultur mit völlig anderen Verhaltensregeln. Die beiden Kulturen sind auf ihrem Territorium kurz aufeinandergeprallt und ein Fotoapparat wurde konfisziert. Wir haben ihn wiederbekommen.«
    »Aber zu welchem

Weitere Kostenlose Bücher