Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
Vom Netzwerk:
Preis.«
    »Was ist wichtiger, dein Stolz oder der Fotoapparat?«
    Margaret konnte ihm nicht antworten, weil sie es nicht wusste. Sie war froh, die Nikon wiederzuhaben, aber sie kochte bei dem Gedanken, dass man sie wie ein Kind behandelt hatte. Oder hätte ein männliches Kind mehr gegolten als sie? Es dauerte Tage, ehe sie den Fotoapparat wieder zur Hand nehmen konnte.
    Es fiel Margaret immer schwerer, sich ganz auf Afrika einzulassen, solange die Beziehung zu Patrick, die sie ja erst in dieses Land geführt hatte, ihren inneren Frieden störte. Theoretisch schien es so einfach, die anhaltende Spannung zwischen ihnen aufzulösen. Aber praktisch war es nicht so. Patrick kam besser damit zurecht. Wahrscheinlich, weil er von seiner Arbeit absorbiert war, dachte Margaret. Sie selbst war fasziniert von der Fotografie, aber wo war der Sinn? Sie hatte es nicht nötig gehabt, sich in Kenia eine Arbeit zu suchen – sie konnten beide von Patricks Einkommen leben –, aber sie bekam immer mehr das Gefühl, eine Lüge zu leben. Im Juni beschloss sie, etwas dagegen zu unternehmen.
    Nach einem besonders trostlosen und verregneten Wochenende ohne Einladungen oder Ausflüge fuhr sie mit einer Mappe, die sie am Vortag zusammengestellt hatte, nach Nairobi hinein. Sie stellte das Auto in einer Seitenstraße der Kenyatta Avenue ab und ging das letzte Stück zur Redaktion der Kenya Morning Tribune zu Fuß.

 
    A ber die hier sind vielleicht nicht so gut.«
    Solomon Obok saß Margaret an einem Metallschreibtisch gegenüber, der so vollgeladen war mit Papieren, dass er ihre Mappe hatte obenauf legen müssen. Er hatte sich für das Chaos entschuldigt und behauptet, er kenne sich bestens darin aus, aber Margaret fiel es schwer, das zu glauben. Zuerst hatte er sich Bilder angesehen, die sie von der Landschaft gemacht hatte, und Porträts von Männern, Frauen und Kindern (Afrikaner, Asiaten und Weiße), die sie seit ihrer Ankunft im Land aufgenommen hatte. Die hatte er bewundert, oder zumindest nahm Margaret das an, da er jedes einzelne genau betrachtet und dazu genickt hatte. Jetzt jedoch sah er sich die Ausschnitte aus dem alternativen Blatt an, bei dem sie in Boston gearbeitet hatte, kleine, körnige Bilder, bei Weitem nicht so überzeugend wie die anderen, die er eben gesehen hatte. Wie sollte es auch ein Foto von einer Sitzung im Rathaus mit einem Bild von kleinen schwarzen Leibern aufnehmen, die sich in der verwehenden Staubfahne eines soeben an ihnen vorübergefahrenen Lastwagens abzeichneten?
    »Sie haben Fortschritte gemacht, seit Sie hier sind«, bemerkte er.«
    »Ja.«
    Er nahm seine Brille ab und rieb sich den Nasenrücken Margaret hatte noch nie so tiefschwarze Haut bei einem Menschen gesehen. Das leicht asymetrische Gesicht war lang und schmal. Als sie sein Büro betreten hatte, war er aufgestanden, hatte ihr die Hand gegeben und sich sofort wieder gesetzt, als hätte er höchstens ein, zwei Minuten für sie übrig. Aber dieser Moment hatte ihr gereicht, um zu sehen, dass sein Körper lang und schmal war, genau wie sein Gesicht, und er sich mit Anmut bewegte. Die langgliedrigen Finger waren mit Bleistiftgrau befleckt.
    Er legte die Zeitungsfotos zur Seite und nahm noch einmal die Porträts zur Hand.
    »Das hier mag ich sehr«, sagte er über die Aufnahme der Mutter, die in der Kimathi Street mit ihren Kindern auf dem Gehweg saß, jener Frau, an der Margaret so oft vorbeigekommen war.
    »Es ist alles da.« Er hob das Foto hoch und klopfte leicht mit den Fingerrücken dagegen. »Genau so sollte ein gutes Foto sein. Es muss sofort die ganze Geschichte erzählen. Es sollte mit einer Schlagzeile für sich allein stehen können. Natürlich möchten wir den Leser zum Text führen. Wir sind eine Zeitung, wir können nicht so künstlerisch sein, wie wir es gern hätten. Aber das heißt nicht, dass Bildberichterstattung nicht auch Kunst sein kann. Wenn wir ein wirklich gutes Foto haben, bauen wir eine Story darum herum. Ich stelle mir dieses Bild schon als Illustration eines Artikels über Bettler vor. Vielleicht werden wir es behalten, bis es wieder einmal einen Anlass zu so einer Story gibt.«
    »Danke«, sagte Margaret.
    »Mir scheint, es könnte beim Fotografieren seine Vorteile haben, eine Frau zu sein«, meinte er, während er sich das Bild von der Bettlerin und ihren Kindern noch einmal ansah. »Die Frau hätte sich wahrscheinlich das Kopftuch über ihr Gesicht gezogen, wenn ein Mann fotografiert hätte.«
    Margaret war

Weitere Kostenlose Bücher