Das erste Jahr ihrer Ehe
Patrick.
»Wo?«
»Hier.«
»Hier, im Dorf?«, fragte Margaret. Sie trank von ihrem süßen Tee.
»Und draußen auf dem Land. Wir stehen gewissermaßen auf geschichtlichem Boden.« Er hielt inne und fragte dann: »Alles okay?«
Margaret sah ihm in die Augen. »Soweit möglich«, sagte sie.
Zorn gebiert Zorn, hätte sie gern gesagt. Misstrauen gebiert Misstrauen.
Sie hörten die Freunde mit Naomis Vater kommen.
»Mein Schwiegervater möchte Sie zu einem Drink in der Bar eines Freundes einladen«, sagte Munira.
Margaret sah auf ihre Uhr. Es war elf Uhr vormittags.
»Gern«, sagte Patrick. Er sah Naomis Vater lächelnd an und gab ihm die Hand.
Sie folgten dem Mann zu der Bar, einem Betonkasten, wo sie mit Enthusiasmus von den Freunden der Familie begrüßt wurden, lauter Kikuyu-Männern unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Statur, deren Verwandtschaft mit den Bantu unverkennbar war. Sie wurden in ein Hinterzimmer geführt, wo man Patrick Chang’aa, eine Art Schnaps, anbot. Nicht weit entfernt von der Bar war die Grabstätte von Muniras Großvater, die sie dann besuchten. Während Margaret Munira, Naomi, das Grab und die umliegende Landschaft fotografierte, erzählte Munira von seinem Großvater.
»Er war ein sehr tapferer Mann«, sagte er. »Er tötete acht britische Soldaten nur mit seiner Panga.«
»Wie ist er umgekommen?«, fragte Patrick.
»Er wurde hingerichtet«, antwortete Munira. »Eine Kugel in den Hinterkopf.«
Margaret versuchte sich dieses schöne Terrassendorf als blutiges Schlachtfeld vorzustellen. Der Siegespreis war die Freiheit gewesen, als wie unvollkommen und schwierig sie sich auch erwiesen hatte.
»Ich finde, es ist Zeit zum Essen«, sagte Munira.
Er fuhr Patrick und Margaret zur Shamba seiner Familie, einer schlammverputzten Flechtwerkhütte, die mit Gras gedeckt war – Muniras Zuhause, als er ein Kind gewesen war. Von dieser Hütte aus war er zur Grundschule gegangen, auf eine höhere Schule, an eine Universität in England und schließlich zur medizinischen Fachausbildung an die Universität in Nairobi. Jetzt war er als Arzt im Nairobi Hospital tätig. Naomi war Bankkauffrau. Sie trug ein neonblaues Kleid, das jede Rundung ihres Körpers betonte. Von Zeit zu Zeit legte sie die Hände auf ihren Bauch und seufzte glücklich. Munira verkündete, dass Naomi schwanger sei.
War dies das echte Afrika?, fragte sich Margaret, als sie in die dunkle Hütte geführt und aufgefordert wurde, sich zu setzen. In ihrem besten, allerdings äußerst kümmerlichen Swahili versuchte sie, sich mit Muniras weiblichen Verwandten zu unterhalten, wobei auf beiden Seiten viel gelächelt wurde. Sie sah sich die Bilder an den Wänden an. Eines war ein Porträt von Jomo Kenyatta. Die restlichen waren aus Zeitschriften herausgerissene Seiten, die man an die Wand geklebt hatte: Bilder von der Landschaft, eines von Mombasa, eines, das eine besonders komplizierte Frisur aus unzähligen raffiniert geschlungenen Zöpfen zeigte. Sie bewunderte einen rot und gelb gemusterten handgewebten Teppich, der in der Mitte des Raums lag. Muniras Schwester sagte, sie habe ihn selbst gemacht, und Margaret hielt mit Anerkennung nicht zurück. Gekocht wurde, wie eine der Frauen erklärte, in einer zweiten Hütte, deren Dach eine Öffnung hatte.
Patrick und Margaret wurden reichlich mit irio versorgt, einem Kikuyu-Gericht aus gestampften Kartoffeln, Mais und Erbsen, während draußen die Hühner im Staub herumrannten. Den Gästen zu Ehren wurde eine Ziege geschlachtet, Patrick und Margaret wurden feierlich die »Leckerbissen« gereicht. Margaret starrte auf ihren Blechteller hinunter. Irgendwelche Organe, die sie nicht identifizieren konnte, schwammen in einem dunklen Saft, von dem sie nur annehmen konnte, dass es Blut war. Patrick nahm einen Happen und schluckte ihn praktisch ungekaut hinunter. Margaret biss die Zähne zusammen und machte es wie er, nahm nur flüchtig etwas vom Geschmack und von der Beschaffenheit des Klümpchens wahr, bevor es hinunterrutschte. Es wäre ungezogen gewesen, die Leckerbissen abzulehnen, das hatte Margaret instinktiv erkannt, als ihr der Teller überreicht wurde. Das Ironische war, dass Muniras ganze Familie, mindestens ein Dutzend Geschwister und andere Verwandte, nach den Innereien lechzten, die ihnen – Patrick und Margaret – aufgetischt worden waren.
Sie tranken Pombe dazu, ein mildes Bier, das half, die Organe hinunterzuspülen. Mit viel Händeschütteln und ernsten
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