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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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der Tür zum Arbeitszimmer ein Sicherheitsschloss anbringen zu lassen.) Es gab einen offenen Kamin für die kalten Abende, einen Esstisch von angemessener Größe in einem Teil des Wohnzimmers und eine Küche mit allem »modernen Komfort«, wie der Eigentümer, der einen großen Turban trug, eilig bemerkte. Das bunt zusammengewürfelte Mobiliar erinnerte Margaret an eine Studentenbude in den Staaten, und sie fragte sich, ob sie mit dem abscheulichen grünen Sofa würden leben können. Aber wenn sie selbst ein bisschen Hand anlegten, sagte sie sich, würden sie es schon schaffen. Sie hatten eigens eine Wohnung in einem Haus mit anderen Mietern gesucht, weil sie nicht mehr so isoliert wohnen wollten. Eine Wohnung in der dritten Etage wäre für den gemeinen Einbrecher sicher eine gewisse Herausforderung.
    »Dicke Mauern«, sagte der Eigentümer und klopfte an die Wand. Er hatte Vertrag und Stift gleich mitgebracht.
    Patrick ging wie gewohnt jeden Wochentag ins Krankenhaus und reiste häufig an den Wochenenden, um, wie vereinbart, im ganzen Land Sprechstunden abzuhalten. Margaret begleitete ihn auf diese Kurzreisen, wenn sie meinte, fotografieren zu müssen, Menschen oder eine Landschaft, oder ein Tier, das sie noch nicht für ihren Bruder Timmy aufgenommen hatte. Sie blieb zu Hause, wenn sie an ihrer Mappe arbeiten wollte. Sie hatte in der Stadt ein Fotogeschäft gefunden, wo sie stundenweise eine Dunkelkammer mieten konnte. Manchmal trug sie sich an den Wochenenden für sechs oder sieben Stunden ein, je nachdem, was sie sich leisten konnte.
    Sie hatte noch so viel zu lernen – über Beleuchtung, Ausrüstung, das Entwickeln der Bilder. Während Patrick nach Afrika gekommen war, um über Tropenkrankheiten zu forschen, so hatte sich Margaret, ohne es eigentlich vorgehabt zu haben, ihr eigenes Forschungsfeld gesucht – die Fotografie. Sie wollte unbedingt eines Tages einen Fotoband über Kenia herausbringen, auch wenn es vielleicht kein Werk werden würde, das von Durchschnittstouristen gekauft wurde. Dieses imaginäre Buch würde nicht eine einzige Tieraufnahme enthalten (obwohl Margaret die Tiere überaus gern fotografierte), sondern eine Reihe von Porträts und ungestellten Aufnahmen jenes Afrika, das wenige Touristen zu kennen schienen.
    Bei der Tribune arbeitete sie weiterhin mit Rafiq zusammen, der nur längere Features schrieb. Sie machte mit ihm zusammen einen Bericht über Witwen (Foto: eine schwangere Frau am Grab ihres Mannes, hinter ihr ein endloses Feld von Gräbern); ein Porträt des berühmten kenianischen Autors Ngu˜gı˜ wa Thiong’o (Foto: der Mann bei einem Vortrag, gerunzelte Brauen, blitzende Augen – ein Mann in gerechtem Zorn); eine Dokumentation über die Beschneidung von Mädchen und warum sie abgeschafft werden sollte (Foto: Zwei Frauen über ein junges Mädchen gebeugt, das sich heftig wehrt – eine gestellte Aufnahme mit Einheimischen, die bereit gewesen waren, die Rollen zu übernehmen, da Margaret es ablehnte, einer echten Beschneidung beizuwohnen); einen faszinierenden Bericht über die Kinder in einem abgelegenen Dorf im Narok District, die sich jeden Morgen freiwillig versammelten, um das Lesen und Schreiben in ihrer Mundart und die Swahili-Sprache zu lernen (Foto: Kinder unterschiedlicher Altersstufen in Stammestracht vor einer Hütte mit einem zerfallenen Dach).
    Für diesen letzten Bericht mussten Rafiq und Margaret ins zweihundertfünfzig Kilometer entfernte Narok fahren. Da eine Übernachtung notwendig war, engagierte Rafiq einen einheimischen Fahrer, der auch als Dolmetscher fungierte. In Narok nahmen sie zwei Zimmer (eines teilten sich Rafiq und der Dolmetscher; das andere hatte Margaret für sich allein) in einem Hotel, in dem kein Tourist jemals absteigen würde.
    »Tut mir wirklich leid«, sagte Rafiq, als sie sich ihre Bleibe ansahen, »aber etwas Besseres war nicht aufzutreiben.«
    »Ist doch ganz in Ordnung«, meinte Margaret, der die abblätternde Farbe am Haus, die Gitter vor den Fenstern nicht entgingen. Ihr graute vor dem, was sie drinnen erwarten würde.
    Rafiq stemmte die Hände in die Hüften.
    Margaret verspürte zum ersten Mal ein beinahe überwältigendes Verlangen, ihre Hand auf seine Brust zu legen. Sie tat es nicht, aber sie konnte den Blick nicht von der Stelle wenden, auf die sie so gern ihre Hand gelegt hätte.
    »Margaret?«
    Sie sah ihn an. Wusste er es? Sie glaubte es beinahe, weil er einen Moment schwieg, bevor er sprach. »Ich habe keine Zeit fürs

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