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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Abendessen, weil ich den Text vorbereiten muss. Sie werden also mit David, dem Fahrer, vorliebnehmen müssen. Ist das in Ordnung?«
    »Ja«, antwortete sie, immer noch halb in Trance.
    »Gut«, sagte er.
    Margaret fand Rafiqs Verhalten seltsam und doch auch wieder nicht. Es war, als wollte er der Zeitung und der Welt (und damit auch ihr) verkünden, dass er jederzeit professionell bleiben würde, auch wenn sie gemeinsam irgendwo übernachteten. Sie verstand ihn, aber er fehlte ihr trotzdem. Besonders beim Abendessen mit David, der in Gedanken ganz woanders war. Der Fahrer und Dolmetscher verbrachte die Nacht mit seiner Freundin, die im Dorf lebte.
    Wenn sie jedoch nur tagsüber miteinander unterwegs waren, machten Rafiq und Margaret oft gemeinsam Mittagspause oder tranken, wenn die Arbeit getan war, irgendwo zusammen Tee. Mit der Zeit begann sie, sich auf die Teestunden zu freuen. Rafiq kannte eine ganze Anzahl dieser Teestuben, aber sie ging am liebsten ins Golden Cup, ein unscheinbares Ladenlokal, in dessen Inneren sich eine Welt nahöstlicher Kultur auftat: goldene Teebretter, schwere Holztische mit polierten Platten, auf dem Boden bunte Webteppiche, an den Wänden kunstvolle Webarbeiten und Schnitzereien.
    »Ist das schön«, sagte Margaret, als sie das Lokal das erste Mal betrat.
    »Es gehört meinem Cousin. Er kommt nachher mal zu uns.«
    »Haben Sie eine große Familie?«, fragte sie, auf dem Weg zu einem Tisch.
    »Nach westlichen Maßstäben, ja. Ich habe Cousins und Cousinen in Pakistan, London, Kampala und hier. Wenn ich beispielsweise nach London reiste und meine Verwandten nicht besuchte, würden die mir das nie verzeihen. Ich habe Cousins und Cousinen mit den großartigsten akademischen Abschlüssen, und andere, die sich als Buchmacher verdingen. Unter meinen Cousinen sind Frauen, die den Schleier tragen, und andere, die ganz ungeniert in Miniröcken herumlaufen. Ein echtes Potpourri also.«
    Margaret lachte. »Ich habe ganze drei«, sagte sie. »Einen mütterlicherseits und zwei väterlicherseits. Ich komme mir richtig arm vor.«
    »Das sind Sie auch.«
    Der Cousin kam aus dem Hinterzimmer, um Rafiq und Margaret zu begrüßen. Rafiq stellte Margaret als Arbeitskollegin von der Zeitung vor, ob Cousin Safeer bereit war, sich damit zufriedenzugeben, war schwer zu sagen. Die beiden Männer sprachen Margaret zuliebe Englisch. Ehe sie es sich versah, wurde ihnen der Tee mit einem Sortiment ausgesuchter süßer Leckerbissen serviert.
    »Hoffentlich sind Sie hungrig«, sagte Rafiq, nachdem Safeer wieder gegangen war.
    »Was ist das alles?«, fragte sie.
    »Das hier ist Falooda, das andere Motichoor Laddu, aber ich mag am liebsten die Malai Khaja.«
    »Das sieht alles köstlich aus«, sagte Margaret.
    »Und sie werden Ihnen das Abendessen komplett verderben.«
    »Ach, das ist mir egal«, sagte Margaret.
    »Mein Cousin wäre zu Tode gekränkt, wenn wir auch nur einen Krümel übrig lassen.«
    Die würzigen Speisen, der Duft der Räucherstäbchen, der Anblick Rafiqs, der mit geöffnetem Kragen entspannt zurückgelehnt auf seinem Stuhl saß, das alles rief bei Margaret das Gefühl hervor, sich in einem Tempel orientalischer Gelassenheit zu befinden. Sie spürte hier eine Intimität, wie sie sie lange nicht mehr empfunden hatte.
    »Ich muss Ihnen etwas erzählen«, sagte sie.
    Rafiq sah sie an.
    »Es ist etwas, das mir passiert ist, als ich auf dem Mount Kenya war.«
    Sie schickte die Geschichte der Tour und der komplexen Beziehungen zwischen den drei Paaren voraus, ging insbesondere auf Arthurs Rolle ein. Sie erzählte von der letzten Nacht in der Banda, als sie und Arthur Hand in Hand gelegen hatten, und von Dianas Verhalten am nächsten Morgen.
    »Wir mussten einen Gletscher überqueren«, fuhr sie fort. »Den Lewis Gletscher. Das Gelände war steil, und ich glaube, wir hatten alle ein bisschen Angst vor der Querung. Der Führer musste Trittstufen für uns ins Eis schlagen. Die Strecke bis zur anderen Seite war vielleicht fünfundsechzig Meter lang. Wir waren alle angeseilt, der Führer ging vorn und hinten gingen zwei Träger. Ich habe nur einmal hinuntergeschaut.«
    Rafiq hatte seine Teetasse auf den Tisch gestellt. Woher kam plötzlich dieses Bedürfnis, ihm die Geschichte zu erzählen?, fragte sie sich.
    »Es war beängstigend«, fuhr sie fort. »Ich fing an zu beten und schaute nur noch auf den Träger vor mir. Wenn er einen Schritt machte, machte ich auch einen.«
    Rafiq nickte.
    »Alles ging gut, bis wir

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