Das erste Jahr ihrer Ehe
gerade einer dieser ganzen Verwandten uns durch ein gewisses kleines Fensterchen in unserem Rücken observierte«, sagte Rafiq, »würde ich Ihr Gesicht in meine Hände nehmen und Ihnen sagen, dass sie eine wunderbare Frau sind, die sich nichts leicht macht. Ich beobachte Sie bei jedem unserer Einsätze. Sie haben ein sehr großes Herz.«
»Wir werden observiert?«, fragte Margaret und musste lächeln.
»Mit Argusaugen.«
»Warum?«
»Safeer hat mir nicht geglaubt, als ich sagte, Sie seien ›nur‹ eine Arbeitskollegin.«
Margaret wurde rot. Sie sah zu den Süßigkeiten auf dem Teebrett hinunter. »Ich finde, wir sollten jetzt besser zu essen anfangen«, sagte sie.
Rafiq und Margaret blieben bis tief in den Nachmittag. Manchmal redeten sie, manchmal schwieg Rafiq. Margaret hätte gern gewusst, was er dachte, sie fragte ihn nicht danach. Als sie schließlich aus diesem wundersamen Raum in das lebhafte Getriebe der Straße hinaustraten, empfand Margaret das Sonnenlicht als Strafe.
Nach einem besonders anstrengendem Vormittag, an dem sie versucht hatten, die Erfolgsgeschichte von Ruaraka Enterprises (einem Autoteilhandel mit riesigem Firmenkomplex) in Wort und Bild zu dokumentieren (die Fotos wurden nichts, Ruaraka musste eine Zeichnung des Komplexes liefern), fühlten sich Rafiq und Margaret am Nachmittag wie erschlagen von der Hitze und dem gnadenlosen Glanz der Sonne auf Bergen von Altmetall. Die Arbeit war körperlich strapaziös und intellektuell zum Einschlafen gewesen. Rafiq zog sein Jackett aus und warf es hinten in den Citroën. »Fahren wir zu den Tieren«, sagte er.
»Großartige Idee«, stimmte Margaret zu. »Genau die richtige Erholung nach diesem Theater.«
»Wir schauen einfach nur«, fügte er hinzu, als sie in den Wagen stieg. »Wir brauchen nicht einmal zu reden.«
Auf der Fahrt zum Nairobi National Park hielt Rafiq noch einmal an und ging in eine Duka. Mit kalten Getränken und Chips kam er wieder.
»Woher wussten Sie, dass ich mir etwas zu trinken und etwas Salziges gewünscht habe?«, fragte Margaret.
Gestärkt fuhren sie in den Park und bezahlten ihren Eintritt. Margaret wollte sich beteiligen, aber das ließ Rafiq nicht zu. »Es war schließlich meine Idee«, sagte er zur Erklärung.
Als Patrick und Margaret noch in Boston gelebt hatten, waren sie am Wochenende gern aufs Land hinausgefahren. Es ging ihnen vor allem darum, der Stadt zu entkommen, den Blick frei schweifen lassen zu können, einmal kein Programm zu haben, zum Essen anzuhalten, wann sie gerade Lust dazu hatten. Sie machten Ausflüge zu viel besuchten Touristenorten (Concord und Lexington zum Beispiel) und stiegen dann gar nicht aus, sondern hielten lieber an irgendeinem Bauernhof und wanderten über die Felder. Es konnte sein, dass sie ein gemütliches Gasthaus entdeckten und dort eine Kleinigkeit zu sich nahmen, oder in einem Imbisslokal in einer kleinen Fabrikstadt landeten, wo es fetttriefende Hamburger und sahnige Milk-Shakes gab. Diese Ausflüge schafften es fast immer, Patrick und Margaret daran zu erinnern, dass es noch ein Leben außerhalb von Krankenhäusern und Kongresssitzungen gab.
Es war eine Weile her, dass Margaret »zu den Tieren« gefahren war. So wichtig waren ihr und Patrick solche Exkursionen merkwürdigerweise nie gewesen, seit sie in Afrika waren. Es war nicht etwa so, dass Margaret für die Tiere nichts übriggehabt hätte (oft waren sie faszinierend, und die Fotos, die sie Timmy schickte, faszinierten wiederum ihn), aber die Safari-Landrover, denen sie unweigerlich begegneten, erinnerten sie jedes Mal daran, dass die Tiere für die Touristen gehalten wurden. Dennoch waren sie großartig anzusehen, und wenn auch manche Aufnahme, die Margaret von ihnen machte, eher einem Klischee entsprachen, bezauberte der Anblick einer Gnu- oder Elefantenherde oder eines einzelgängerischen Geparden sie immer wieder.
Rafiq hielt die niedrige Geschwindigkeit ein, die das Schild am Parktor vorschrieb. Es ging ja ums Schauen und nicht darum, auf den meist verlassenen Straßen Rennen zu fahren. Obwohl davon abgeraten wurde, ließen sie die Fenster offen, um frische Luft zu bekommen.
Rafiq lenkte mit einer Hand und schob sich hin und wieder ein paar Chips in den Mund oder trank einen Schluck Cola, die längst nicht mehr kalt war. Die meiste Zeit schwiegen sie. Margaret hatte reichlich Gelegenheit, den Mann zu betrachten, wenn rechts von ihnen eine Giraffe oder ein Zebra auftauchte und er zum Fenster hinaussah. Eine
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