Das erste Jahr ihrer Ehe
und Elena zu einer Besprechung. Margaret hatte den Tag für sich. Der Mann am Empfang schlug einen Stadtrundgang vor, aber Margaret geriet gleich zu Beginn des Spaziergangs auf Abwege. Seitengassen lockten: Die jahrhundertealten, aus Korallenquadern geschichteten Häuser, deren dicke Mauern mit Kalkverputz geglättet waren, bezauberten sie ebenso wie die ornamentreich geschnitzten Fensterläden und Türen. Hin und wieder, wenn eine sich öffnete, erhaschte sie einen Blick auf Innenhöfe mit Brunnen und steinernen Nischen und niedrigen weißen Sitzbänken. Zu gern wäre sie in einen dieser nach Jasmin duftenden Höfe eingeladen worden.
Überall auf ihrem Weg begegnete ihr Rafiq. Jeder Mann, an dem sie vorüberkam, hätte ein Verwandter von ihm sein können. Die einheimischen Frauen trugen alle schwarze Buibuis. War Rafiq schon einmal auf Lamu gewesen?
In den mit Kopfstein gepflasterten Gassen streunten Esel und Katzen herum, und hier und dort, an schmalen Durchgängen, entdeckte Margaret einen Laden: mit Silberschmuck; mit Itos, den runden gemalten Augen, mit denen auch die Daus geschmückt wurden; mit Kikois, gemusterten Tüchern, die zu Röcken gewickelt von Swahilimännern getragen wurden. Sie hatte schon festgestellt, dass die Preise auf Lamu exorbitant waren. Für ein Bier hatten sie am Abend zuvor im Petley’s fast hundert Schillinge bezahlt. Es hatte natürlich mit dem schwierigen Warentransport auf die Insel zu tun, aber selbst einheimische Erzeugnisse wie der Silberschmuck waren teuer. Margaret kaufte einen Kikoi für Patrick und ein Ito für das Haus. Sie war gespannt, was Patrick zu diesem Talisman sagen würde, der vor dem bösen Blick schützen sollte, und fragte sich zugleich, ob er auch wirklich helfen würde.
Rechtzeitig zum Mittagessen kehrte sie ins Hotel zurück, wo Elena und Patrick schon auf sie warteten. Sie waren noch in der angeregten Stimmung, die sie von der Besprechung mitgebracht hatten, während Margaret eben aus einem früheren Jahrhundert zurückkehrte, in dem die Uhren viel langsamer gingen.
Patrick, der ihre Benommenheit spürte, bestellte für sie und fragte dann mit einem forschenden Blick zu ihr: »Alles in Ordnung?«
Margaret bemühte sich, ihre Augen zu Normalgröße zu öffnen. »Wunderbar«, sagte sie. »Können wir für immer hierherziehen?«
»Und dabei hat sie noch nicht einmal den Strand gesehen«, bemerkte Elena. »Wenn Sie erst einmal im Peponi waren, werden Sie überhaupt nicht mehr von hier wegwollen.«
Ein Mann, ein Hotelangestellter, trat zu ihnen an den Tisch. »Mr. McCoglan?«, fragte er.
»Das bin ich«, sagte Patrick.
»Ich habe diese Nachricht für Sie.«
»Danke«, sagte Patrick und drückte dem Mann ein Trinkgeld in die Hand.
Er öffnete den Umschlag und überflog das kurze Schreiben. Dann legte er es auf den Tisch und ließ seinen Kopf mit geschlossenen Augen nach hinten fallen. Elena sah Margaret an, die nahm das Schreiben zur Hand.
»Geehrter Bwana Patrick,
D as Haus ist leer. Räuber waren hier und haben alles mitgenommen außer die Sachen aus dem Schlafzimmer, das noch abgeschlossen ist. Die Polizei war hier. Bitte kommen Sie bald zurück.
Ihr Freund Moses«
Margaret stellte sich vor, wie Moses am Telefon dem Mann am Empfang die Worte diktierte und dieser vielleicht beim Schreiben Moses’ Grammatik verbesserte. Sie sah ihren immer noch reglos dasitzenden Mann an.
Seine gesamten Forschungsunterlagen.
Sie hielt Elena den Brief hin.
»Oh, das tut mir wirklich leid«, sagte Elena, nachdem sie gelesen hatte. »Alles weg.«
Elena buchte sie auf einer Maschine, die am selben Nachmittag von Manda abflog. Margaret ließ Lamu zurück, als wäre es nur ein Traum gewesen.
Das Bild, das sie bei ihrer Rückkehr in Karen empfing, war surreal. Moses hatte nicht übertrieben, es war wirklich alles weg. Die Vorhänge waren von den Fenstern gerissen, alle Telefone und Kabel verschwunden. Die Wandleuchten über dem offenen Kamin waren abmontiert worden. In einem Badezimmer fehlte die Toilette. Margaret dachte an ihre Abendessen im Speisezimmer, die Telefongespräche am Stehtisch im Flur, die Cocktails, die sie und Patrick auf dem Sofa im Wohnzimmer getrunken hatten. Vorbei. Es war ein Wunder, dass die Avocado- und Limettenbäume hinten im Garten noch standen.
Sie war an Patricks Seite, als er ins Arbeitszimmer ging. Seine Forschungsunterlagen, seine Bücher – alles weg. Seine Aufzeichnungen, die Familienfotos von zu Hause – weg. Patrick lehnte
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