Das erste Jahr ihrer Ehe
Richtung zu blicken, aber er rührte sich nicht. Die tiefstehende Sonne schuf ein rosiges Licht, das den Leoparden auf dem Akazienast umspielte. Margaret machte noch einen Schritt nach links, um sicher zu sein, dass sie die Sonne voll hinter sich hatte. Sie wusste, dass Rafiq sich im Auto die Haare raufte, und schaute deshalb gar nicht erst zu ihm hin. Vielleicht, dachte sie, war der Leopard vom schräg einfallenden Licht teilweise geblendet, aber nein, sobald sie sich bewegte, bewegte sich auch sein Blick. Sie war jetzt mehr als drei Meter vom Auto entfernt. Sie hob den Fotoapparat an ihr Auge.
Sie machte so viele Aufnahmen wie sie konnte. Insgesamt stand sie vielleicht zwanzig oder dreißig Sekunden dort draußen.
»Rühren Sie sich nicht von der Stelle«, sagte Rafiq hinter ihr.
Ein Messer sauste an Margaret vorbei, und im selben Moment erhob sich der Leopard auf seine kräftigen Hinterbeine. Das Messer nagelte eine Schlange auf dem Boden fest. Rafiq legte Margaret eine Hand auf den Mund, die andere auf die Schulter. Der Schock über die unerwartete Berührung erstickte den aufsteigenden Schrei. Rafiq zog sie rückwärts zum Wagen.
»Steigen Sie ein.«
Sie gehorchte blitzschnell. Sie konnte die Tür gar nicht geschwind genug schließen, obwohl sie bemerkte, dass der Leopard sich nicht aus seiner Lauerstellung gerührt hatte. Der Gefahr noch einige Sekunden länger ausgesetzt, rannte Rafiq um den Wagen herum, warf sich in seinen Sitz und schlug die Tür zu. Dann holte er erst einmal tief Atem. Sie warteten.
»Er fixiert die Schlange«, sagte Margaret.
»Der galt die ganze Zeit seine Aufmerksamkeit. Je näher die Schlange Ihnen kam, desto mehr Gefahr drohte Ihnen – nicht nur von der Schlange, sondern auch von dem Leoparden, der sie vielleicht angegriffen und dabei auch Sie erwischt hätte.«
»Was ist das für eine Schlange?«, fragte Margaret.
»Eine Schwarze Mamba.«
»Sie war silbrig.«
»Ja.«
»Ist ihr Gift gefährlich?«
»Tödlich. Sie ist die gefährlichste Schlange Afrikas.«
»Woher wissen Sie das alles?« Sie begann jetzt zu zittern.
»Ich bin Afrikaner«, antwortete er.
Margaret hatte Rafiq nie als Afrikaner gesehen, obwohl er natürlich genauso einer war wie Diana Afrikanerin gewesen war. Wegen seiner gemischten Herkunft war er ihr als Weltbürger erschienen.
Rafiq ließ den Leoparden keinen Moment aus den Augen, während er den Rückwärtsgang einlegte. Er fuhr drei Meter zurück, dann schoss er vorwärts, direkt über die Schlange hinweg, die unter den Rädern zermalmt wurde.
»Ihr Messer«, sagte Margaret.
Er sah sie ungläubig an.
»Ich meine, Sie haben es doch immer bei sich. Sie haben mir das Leben gerettet«, sagte sie.
»Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Sie vor dem Leoparden nicht retten würde. Aber da ich nichts von einer Schlange gesagt hatte«, erklärte er lächelnd, »fand ich, ich könnte Sie nicht einfach einem wahrscheinlich grausamen Schicksal überlassen.«
»Warum heißt sie Schwarze Mamba?«
»Ihre Mundhöhle ist blauschwarz. Sie ist so gefährlich, weil sie sich aufrichten und ihr Opfer mehrmals beißen kann. Dabei genügt schon das Gift eines einzigen Bisses, um zwischen zehn und fünfundzwanzig Menschen zu töten.«
Margaret verspürte einen beklemmenden Druck auf der Brust.
Rafiq warf ihr einen Blick zu. »Ja, Sie haben eben, mit Verlaub gesagt, ziemlich unvernünftig, Ihr Leben für ein Kinkerlitzchen aufs Spiel gesetzt.«
»Und Ihres auch.«
»Ja.«
»Es tut mir leid, und ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.« Sie berührte Rafiqs Arm, um ihn wissen zu lassen, wie ernst es ihr mit ihrer Entschuldigung war. Sie spürte die Hitze durch den Stoff seines Hemdes.
Unablässig musste sie an Rafiqs Hände auf ihrer Schulter und auf ihrem Mund denken. Obwohl es ein schrecklicher Moment gewesen war, wollte sie das Gefühl nicht vergessen.
»Ich glaube, wir fahren jetzt besser zurück«, sagte Rafiq.
Die Sonne sank tiefer und die Schatten wurden länger. Die großen Vögel hoben sich in schwarzer Silhouette vom Himmel ab. Rafiq fuhr lange.
»Können Sie mal anhalten?«, fragte Margaret.
Rafiq bremste ab. »Alles in Ordnung?«
»Ja. Nein.«
Er hielt an. »Was ist los?«
Nachdem er durch alle Fenster hinausgeschaut hatte, stieg er aus und öffnete ihr die Tür.
Als sie sich aufrichtete, zog er sie an sich. Er schob seine Finger in ihr Haar und hielt ihren Kopf. Danke dir, dachte Margaret.
Er nahm die Hände aus ihrem Haar und trat von ihr weg.
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