Das erste Jahr ihrer Ehe
gewisse Spannung, die sich sonst in seinem Gesicht und seiner Haltung ausdrückte, hatte sich gelöst. Wieder fragte sie sich, was er dachte. Hinter seiner umgänglichen und klugen Art verbargen sich Tiefen, die sie vielleicht nie ergründen würde.
Sie hatte einen Fotoapparat auf dem Schoß liegen, und von Zeit zu Zeit reizte es sie, ein paar Aufnahmen zu machen, aber sie wollte den schläfrigen Frieden im Wagen nicht stören. Wenn sie fotografierte, würde sie das beide unweigerlich an die Arbeit erinnern, der sie mit der Fahrt durch den Park doch gerade entfliehen wollten.
Rafiq ließ eine Giraffe nahe an den Wagen herankommen. Er hielt seine Hand mit den Bröseln der letzten Chips hinaus, aber er konnte das Tier nicht dazu verführen, sich zu ihm hinunterzuneigen und das Salz abzulecken. Dennoch musterte die Giraffe sie mit vollkommener Ruhe, mehr fasziniert von dem ulkigen gelben Fahrzeug, vermutete Margaret, als von seinen Insassen. Einmal hielt Rafiq an, damit sie durch ihr Fenster eine kleine Herde Elefanten beobachten konnten, die ungefähr dreißig Meter entfernt war. Jetzt, fand Margaret, könne sie ruhig auch ein paar Bilder machen. Sie wussten beide, wie schnell ein Elefant angreifen konnte und dass ein kleiner gelber Citroën für so ein Tier kein Gegner war, wenn es wild wurde. Rafiq war so wie sie auf der Hut vor einem plötzlichen Schwung oder Trompeten in ihre Richtung. Doch die Herde schien gleich ihnen nur ein wenig Ruhe und Frieden haben zu wollen und bewegte sich kaum einen Schritt von dem kleinen Tümpel weg, den sie entdeckt hatte.
Die Savanne war ausgedörrt – sie näherten sich dem Ende der Trockenzeit –, und viele Tiere im Park waren auf der Suche nach Wasser. Margaret und Rafiq fuhren im Schneckentempo. Wenn Margaret ihren Augen Ruhe gönnte, konnte sie unter den Schirmakazien, die mit ausgebreiteten Ästen nach Wasser zu lechzen schienen, die Hitze über dem Boden flirren sehen. Eine Herde Dikdiks tollte vor dem Auto herum, und sie kam sich vor, als säße sie in einem Cinerama-Film ihrer Kindheit. Das Surren und Summen der Insekten umgab sie, aber Rafiq hielt die Geschwindigkeit gerade so, dass das schwirrende Getier nicht in Scharen in den Wagen eindringen konnte. Ab und zu musste Margaret nach einer neugierigen Fliege schlagen. Der Geruch, der von draußen in den Wagen wehte, erinnerte sie an Hanf.
Einmal hielten sie an und waren innerhalb von zwei Minuten von Pavianen umringt. Sie kurbelten die Fenster hoch. Margaret wusste, dass Paviane vornehmlich Pflanzenfresser waren, aber sie konnten auch aggressiv sein. Ihr Instinkt schien ihnen zu sagen, dass Fahrzeuge gute Nahrungsquellen waren. Viele Touristen fütterten sie, obwohl es ausdrücklich verboten war.
Sie hatten außerdem eine Vorliebe für Zeltplätze. Einmal, beim Zelten mit Patrick und einem seiner Kollegen in Amboseli, war Margaret auf dem Platz geblieben, während die Männer sich auf Brennstoffsuche begeben hatten.
»Zehn Minuten, nachdem die Männer gefahren waren«, erzählte sie Rafiq, »sichtete ich den ersten Pavian. Ich stand von dem kleinen Klapptisch auf, den ich als Schreibtisch benutzt hatte, und versuchte, ihn wegzuscheuchen. Ich geriet ziemlich in Hektik, weil ich nicht mehr wusste, ob die Nahrungsmittel im Peugeot waren oder ob wir welche in der Kühlbox im Zelt gelassen hatten. Dann erschien der zweite Pavian auf dem Plan, und binnen Sekunden war ich von mindestens einem Dutzend Affen umringt, die immer näher an mich heranrückten. Ich packte einen Kochtopf und schlug mit einem Löffel darauf.«
Rafiq lachte.
»Ich hatte keine Ahnung, wie weit die Paviane gehen würden, um an etwas Essbares heranzukommen. Als sie noch näher kamen, begann ich, so laut ich konnte zu singen.«
»Was haben Sie gesungen?«, fragte Rafiq.
»Die amerikanische Nationalhymne.«
Rafiq warf den Kopf zurück und lachte wieder. Und Margaret lachte mit.
»Leider ließ mein Gesang die Paviane vollkommen unbeeindruckt«, fuhr sie fort. »Sie kesselten mich regelrecht ein. Während ich einen auf der linken Seite zu verscheuchen versuchte, pirschte sich rechts einer näher heran. Ich wollte mich schon im Zelt verschanzen …«
Sie sah, wie Rafiq den Kopf schüttelte.
»… aber ich erkannte noch rechtzeitig, dass das eine idiotische Idee war. Eingesperrt im Zelt zu hocken, während die Affen überall darauf herumsprangen – ich wäre wahrscheinlich wahnsinnig geworden.«
»Ja, das glaube ich auch«, sagte Rafiq.
»Dann
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