Das erste Jahr ihrer Ehe
die Augen. Nach einiger Zeit hörte sie, wie er seinen Stuhl zurückschob und aufstand. Mit einem Finger berührte er ihre Wange, dann war er fort.
Margaret wälzte sich auf die andere Seite und starrte zum Fenster hinaus. Draußen war es dunkel und trocken. Der Regen hatte sich dieses Jahr verspätet und war noch nicht gekommen. Fast alles war ausgetrocknet. Der Matsch war zu bröckeligem Dreck geworden; alles Grün war runzlig und braun. Man musste sich ständig waschen; der Staub machte Maschinen und Motoren zu schaffen.
Sie war sechs Wochen schwanger gewesen. Sie überlegte, wann genau sie schwanger geworden war, aber sie hatte große Teile dieser frühen Wochen nur verschwommen in Erinnerung. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie es für sie gewesen wäre, gesagt zu bekommen, dass sie schwanger war. Sie stellte sich Freude vor. Hätte Patrick darauf bestanden, sofort in die Staaten zurückzukehren?
Margaret dachte an Rafiq und das, was er gesagt hatte. Er hatte recht gehabt. Mit Rafiq zusammen zu sein, aber schwanger mit Patricks Kind, wäre undenkbar gewesen. Und was, wenn sie nicht gewusst hätte, wer der Vater des Kindes war? Die Qual, auf die Geburt warten zu müssen, um es zu erfahren, wäre unerträglich gewesen. Sie hätte mit Patrick sprechen müssen, um ihn vorzubereiten.
Und doch hätte sie das alles auf sich genommen. Sie hatte sich nicht danach gesehnt, einen Säugling im Arm zu halten, aber jetzt tat sie es. Sie konnte nicht unterscheiden, ob ihre Seele oder ihr Körper sich danach sehnte.
Margaret stellte sich ein Kind vor, einen kleinen Jungen. Sie fühlte, wie es gewesen wäre, ihn aus seinem Bettchen zu nehmen und ihn zu halten, seinen Kopf an ihrer Schulter. Waren nicht Schultern zu eben diesem wunderbaren Zweck geschaffen worden?
Sie dachte an Rafiq und sein Gesicht, an seine tiefen braunen Augen, sein eigensinniges Kinn. An den Körper, den sie nie richtig hatte berühren dürfen. An den Klang seiner Stimme und an seine Sprache mit dem merkwürdig beruhigenden britischen Akzent. Sie fragte sich, ob er von ihr wusste, ob Solomon es ihm gesagt hatte. Oder ob er es zufällig an einem Nachbarschreibtisch gehört hatte. Und sie fragte sich, ob er, als er es hörte, das Gesicht abgewandt hatte. Oder an sie gedacht und gewünscht hatte, das Kind wäre von ihm.
Sie dachte an Patrick, der eine dünne Decke über seine Gefühle gebreitet hatte. Der sich als ihr Beschützer verstand, als ihr ärztlicher Manager. Im Angesicht der Hoffnungslosigkeit wollte er Kontrolle.
Und Margaret dachte, während sie zum Fenster hinausblickte, an Afrika, das Land gleich jenseits der Abschirmung. Es war ihr seit nahezu einem Jahr ständiger Begleiter, hatte sie gelehrt, gescholten, umfangen. Es war in ihrem Atem und in ihrem Blut. Sie hatte geglaubt, sie würde Afrika aufsaugen, aber der Kontinent hatte stattdessen sie aufgesogen. Sie konnte sich nicht vorstellen, jemals fortzuwollen.
Margaret dürstete wie das Land. Sie trank Unmengen Wasser, auf Befehl der Schwestern und weil es ihr ein Bedürfnis war. Nichts konnte jedoch ihren Durst stillen. Sie stellte sich vor, wie alle jeden Tag den Himmel absuchten und auf ein verheißungsvolles Lüftchen oder einen Tropfen Regen warteten. Beim ersten kräftigen Guss würde es Feiern geben – matschige Feste, bei denen getanzt und getrunken, Ziegen gebraten und den Mächten gedankt wurde, denen man Dank zu schulden glaubte.
Blumen und Karten trafen ein. Am nächsten Tag kam Solomon Obok mit Büchern: drei Romane von Kenianern über Kenia, darunter einer von Ngu˜gı˜ wa Thiong’o, dem Autor, den Margaret einmal fotografiert hatte. Während Solomons Besuch brachten die Schwestern Tee, eine bemerkenswert freundliche Geste, die Margaret nicht erwartet hatte und die Solomon ermunterte, sich zu setzen und sich mit ihr zu unterhalten. Sie sprachen über vieles – seine Frau und seine Kinder; einen kürzlich erschienenen Bericht über den immer noch ohne ordentliches Gerichtsverfahren gefangen gehaltenen Thomas Oulu, der die Gemüter erregte; auch über die Kollegen in der Redaktion –, aber nicht ein einziges Mal erwähnte er Rafiq, ein Zeichen, dass er Bescheid wusste, vielleicht die ganze Zeit schon Bescheid gewusst hatte. Er zitierte ein kenianisches Sprichwort von Samen, die nicht aufgingen, und später ausgesäten Samen, die immer die robusteren sein würden.
Margaret lachte. Sie sagte Solomon auf den Kopf zu, dass er das erfunden habe, und er gestand es betreten
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