Das erste Jahr ihrer Ehe
ein. Sie sprachen von klimatischen Bedingungen, bei denen die erste Saat nicht keimen würde, sondern erst die zweite.
»Sie müssen wieder zur Arbeit kommen«, sagte Solomon, bevor er ging. »Jagdish ist einsam ohne Sie.« Das rief erneut Gelächter bei ihr hervor. Margaret hatte Schmerzen beim Lachen, aber das war es wert.
Am Nachmittag überraschte Moses sie mit einem Korb Avocados aus dem Garten in Karen. Wie schnell das Buschtelefon arbeitete. Sie war gerührt von seinem Besuch und sagte es ihm, und es freute ihn. Sie rechnete sich aus, dass er hin und zurück mindestens zwei Stunden fahren musste, und sie dankte ihm, dass er den Weg auf sich genommen hatte. Sie fragte ihn, wie es denn mit dem Haus in Karen weitergegangen sei, nachdem sie und Patrick ausgezogen waren, und er antwortete, dass ein großer Teil der Möbel in einem Laden in Eastleigh aufgefunden worden sei. Sie waren während ihres »auswärtigen Aufenthalts« poliert und teilweise sogar repariert worden. Die Beziehung zwischen Moses und seiner australischen Herrschaft hatte sich merklich gebessert, nachdem die Möbel zurückgekehrt waren.
Patrick brachte ihr mit, was sie brauchte: ein Nachthemd und einen neuen Bademantel, einen Spiegel und einen Lippenstift; zudem die Morgenausgabe der Tribune . Die Fehlgeburt war so bald auf Margarets Zeit der Mattigkeit gefolgt, dass Patrick offenbar die beiden Ereignisse miteinander vermischte. Er war sicher, wenn sie erst wieder auf den Beinen sei, würde sie schnell zu Kräften kommen. Um da ein wenig nachzuhelfen, hatte er sie beide im Tennisklub angemeldet. Er hatte Lust, diesen alten Sport wieder aufzunehmen.
Beim Essen versuchte sie, ihre Gefühle für ihren Mann zu finden, aber sie bekam sie nicht zu fassen. Obwohl sie wusste, dass Patrick ein guter Mensch war, konnte sie nicht umhin, sich zu fragen, ob sie nicht beide Schaden angerichtet hatten.
Am nächsten Morgen bekam sie überraschend Besuch von James und Adhiambo. Was für eine Fahrt für die beiden, dachte sie. Sie musste noch umständlicher gewesen sein als die von Moses. Als sie zu ihr ans Bett kamen, bemerkte sie, dass sie sich an den Händen hielten. Sie hatte wohl die Augen aufgerissen, denn die beiden begannen zu lachen. James sah aus, als flatterte ein Kanarienvogel in seiner Brust, und Adhiambo hörte gar nicht mehr mit dem Lächeln auf. Sie zogen sich Stühle ans Bett und überreichten Margaret ein Päckchen, das in Metzgereipapier verpackt und mit Bindfaden verschnürt war. Sie musste es öffnen, noch bevor die beiden sich gesetzt hatten. Während sie das Stück Tuch auseinanderfaltete, suchte sie nach der Zeichnung unter den Perlen. Sie brauchte einen Moment, um sie zu erkennen, aber als ihr Auge die Linien geordnet hatte, stieß sie einen kleinen Ruf der Überraschung aus. Die Zeichnung zeigte eine Frau mit einem Fotoapparat vor dem Auge. In der Ferne war eine Stadtsilhouette zu sehen.
»Das ist ja ein wunderbares Stück«, sagte sie mit echter Bewunderung. »Ein wahrer Schatz. Vielen Dank.«
»Wir haben Neuigkeiten«, bemerkte James.
»Ja, das habe ich schon vermutet«, sagte sie mit einem Blick auf die Hände der beiden.
»Wir leben in meinem Haus in Lavington, und Adhiambo macht den ganzen Tag die Tücher und verkauft sie in der Kimathi Street.«
»In der Kimathi Street«, sagte Margaret erstaunt.
»In einem Laden, der Kunsthandwerk verkauft«, erklärte Adhiambo. »Eine Frau hat in der Zeitung Ihr Bild von dem Tuch gesehen und hat mich ausfindig gemacht. Sie ist beim …«
Sie sah James fragend an.
»Beim Frauenkollektiv«, sagte James.
»Und sie hat mir angeboten, alles zu verkaufen, was ich herstelle.«
»Das Kollektiv behält dreißig Prozent«, erklärte James, »aber sie machen gute Preise für Adhiambos Arbeiten.«
Margaret konnte kaum glauben, dass sie ganz unbeabsichtigt einem anderen Menschen geholfen hatte – aber eigentlich war es Rafiqs Verdienst, der die Story unbedingt hatte machen wollen.
»Sie müssen es Mr. Rafiq erzählen«, sagte James.
»Ja«, antwortete Margaret, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ich werde es ihm erzählen. Ich freue mich wirklich sehr für Sie beide.«
Margaret vermutete, dass die Deutschen sich überlegt hatten, dass eine Frau allein in James’ kleinem Haus besser war als eine Frau mit vier Kindern. James konnte sicher manchmal Essen mit nach Hause nehmen, und er konnte jeden Abend zu einer Partnerin heimkehren. Flüchtig machte sich Margaret Gedanken über die Frau in
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