Das erste Jahr ihrer Ehe
Kitale, aber dann fiel ihr ein, dass sie mit ihren vier Kindern nur einmal im Jahr zu Besuch kam, da würde es also wahrscheinlich keine Schwierigkeiten geben. Wie dem auch sein mochte, das war nicht Margarets Problem. Was Adhiambo anging, so würde sie vielleicht jetzt, da sie mehr Geld verdiente, als Arthur und Diana ihr bezahlt hatten, häufiger nach Hause zu ihren Kindern fahren. Margaret jedenfalls freute sich zu sehen, dass sie glücklich war und dem grauenvollen Slum entronnen, in dem sie gefangen gewesen war. Am liebsten hätte sie Rafiq sofort angerufen, um ihm die Neuigkeiten zu berichten, aber sie tat es nicht.
James und Adhiambo sagte sie, dass sie am Abend Patrick das Tuch zeigen und er es mit in ihre Wohnung nehmen würde. Und wenn sie dann nach Hause kam, würde es an der Wand in ihrem Wohnzimmer hängen.
Margaret saß allein auf einem Stuhl am Fenster. Patrick war da gewesen und wieder gegangen. Für Krankenhausverhältnisse war es spät, die Besuchszeit vorbei; dabei war es erst kurz vor neun. Die Luft hatte einen etwas anderen Geruch als am Abend zuvor; sie konnte ihn nicht definieren, und ein wenig später war er weg. Sie legte sich wieder in ihr Bett, deckte sich zu und wollte gerade nach einem der Bücher greifen, die Solomon ihr mitgebracht hatte, als sie jemanden an der Tür stehen sah.
Er kam zu ihr ans Bett und blieb vor ihr stehen. Er trug Jackett und Krawatte und hielt einen Strauß gelber Rosen mit langen geraden Stielen in den Händen.
»Ich habe sie in Parklands geklaut«, sagte er.
Er gab ihr die Blumen, und sie stellte fest, dass er auch die Dornen entfernt hatte. Acht vollkommene Rosen.
»Sie haben sich ein neues Messer besorgt«, sagte sie.
Rafiq nahm ein Büschel welker Lilien aus einer Vase und füllte diese am Waschbecken mit frischem Wasser. Er stellte den Strauß auf den Nachttisch und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett.
»Es tut mir sehr leid, dass Sie Ihr Kind verloren haben«, sagte er. »Das musste ich Ihnen persönlich sagen.«
Sie legte die Hand auf ihre Augen und bemühte sich, ihre Fassung zu bewahren. »Es ist schwer zu begreifen«, sagte sie. »Noch ehe ich von ihm wusste, war es schon nicht mehr da.«
Er nickte.
Rafiq hatte wahrscheinlich gewartet, bis Patrick im Peugeot vom Parkplatz weggefahren war. Sie fragte sich, wie es ihm gelungen war, unbemerkt an den Nonnen vorbeizukommen. Sie wusste nicht, was sein Besuch zu bedeuten hatte. Wenn er überhaupt etwas zu bedeuten hatte.
»Kann ich etwas Wasser haben?«, fragte sie.
Rafiq stand auf, nahm ein Glas und füllte es bis zum Rand aus dem Krug. Margaret trank.
»Das ganz Land ist durstig«, sagte er.
»Ich hatte das Gefühl, dass heute Abend ein anderer Geruch in der Luft lag«, sagte sie mit einer Kopfbewegung zum Fenster.
»Es soll heute Nacht zu regnen anfangen.«
»Ich habe das bisher nicht gekannt«, sagte sie. »Dieses starke Verlangen nach Regen.«
»Dem entkommt niemand. Für viele ist es schon zu spät.«
»Für die Bauern?«
Er nickte.
Die Lichter im Korridor wurden heruntergedreht, das Licht-aus- Signal. Rafiq stand auf und schloss die Tür. Die Schwestern waren schon früher am Abend da gewesen, um nach Margaret zu sehen, sie hoffte inständig, sie würden es nicht für nötig halten, noch einmal bei ihr vorbeizuschauen.
»Ich muss hier auch dunkel machen«, sagte sie, »sonst kommen sie und fragen, ob etwas nicht stimmt.« Sie knipste das Leselicht an und bat Rafiq, die Deckenbeleuchtung auszuschalten.
Er legte sein Jackett ab und hängte es über seine Stuhllehne. Dann krempelte er seine Hemdsärmel auf und setzte sich wieder.
»Ich habe Neuigkeiten«, berichtete Margaret mit leiser Stimme. »James und Adhiambo waren heute Vormittag hier. Händchen haltend.«
Rafiq zog die Augenbrauen hoch.
»Sie leben jetzt in James’ Haus zusammen. Adhiambo hat das große Los gezogen und ist der Meinung, dass sie es Ihnen zu verdanken hat. Eine Frau hat Ihren Artikel gelesen und das Bild von dem Wandbehang gesehen. Sie machte Adhiambo ausfindig und schlug ihr vor, sich dem Frauenkollektiv anzuschließen.«
»Ich kenne die Organisation.«
»Sie fertigt so viele Wandbehänge an, wie sie kann, und verkauft sie über das Kollektiv. Das Kollektiv behält dreißig Prozent. Ich kann’s kaum erwarten, einmal hinzugehen und zu sehen, was sie für Adhiambos Arbeiten verlangen. Das Beste daran ist, dass sie endlich aus dieser Hölle raus ist.« Margaret schwieg einen Moment. »Wir haben ein
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