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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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gutes Werk getan, Rafiq.«
    »Ja, das passiert manchmal, wenn man es am wenigsten erwartet.«
    »Ich frage mich nur, wie James das mit seiner Ehe machen will.«
    »Er hat doch erzählt, dass er seine Frau nur einmal im Jahr sieht. Eine Zweckbeziehung in der Stadt ist gar nichts so Seltenes.«
    Margaret nickte.
    »Er ist ein gescheiter Bursche. Er wird schon einen Weg finden.«
    Margaret drehte den Kopf und schaute zum offenen Fenster hinaus. Das Laub raschelte, als hätte ein Wind sich erhoben.
    »Sie möchten gern wissen, warum ich gekommen bin«, sagte er.
    »Ja.«
    »Ich musste kommen, nachdem ich es gehört hatte«, erklärte er. »Ich habe mir immer wieder gesagt, dass es mich nichts angeht. Und das stimmt auch. Aber ich wollte Ihnen persönlich sagen, dass ich mit Ihnen trauere.«
    Rafiq versuchte nicht, Margaret zu sagen, alles sei gut. Er versuchte nicht, den Schmerz herunterzuspielen und sie mit freundlichen Worten, sie sei ja noch jung und könne noch viele Kinder bekommen, auf die Zukunft zu vertrösten. Selbst James und Adhiambo, so willkommen sie ihr gewesen waren, hatten versucht, sie abzulenken. Rafiq würde immer bei der Wahrheit bleiben.
    Er streichelte ihren Arm mit den Fingerrücken. Alle innere Verkrampfung begann sich zu lösen. Sie hätte gern gewusst, was seine Berührung zu bedeuten hatte. Und sagte sich dann, dass sie vielleicht gar nichts bedeutete. Sie lernte langsam, wie die Massai zu leben. Wenn etwas da war, war es da. Wenn es verging, war es weg.
    Die Entspannung wurde zu einem verzehrenden Verlangen, das über das Verlangen nach Regen hinausging.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, flüsterte sie.
    »Sagen Sie nichts.«
    Er strich mit den Fingern die Innenseite ihres Arms hinauf und ließ sie dann hinuntergleiten zu ihrer Hand, die er in der seinen hielt.
    »Gehen Sie nicht«, sagte sie.
    »Nein.«
    Sie spürte, wie sie trotz ihres Wunschs, wach zu bleiben und mit Rafiq zu sprechen, schläfrig wurde. Die Nonnen hatten ihr eine Schlaftablette gegeben. »Bleiben Sie, bis ich eingeschlafen bin«, sagte sie. »Ich glaube nicht, dass ich es aushalten könnte, Sie zur Tür hinausgehen zu sehen.«
    »Ich mache jetzt die Leselampe aus.«
    Nachdem er das getan hatte, beugte er sich über sie und küsste sie leicht auf die Lippen.
    Es war ganz dunkel. Auch das gedämpfte Licht im Korridor war gelöscht worden. In Afrika waren die Nächte meist lichtlos, zumal wenn der Himmel bewölkt war wie in dieser Nacht. Sie versuchte, Rafiqs Gesichtszüge zu erkennen, aber sie konnte nur sein Hemd sehen, ein Geist, der sich an ihrem Bett niedergelassen hatte. Er hielt weiter ihre Hand. Sie wusste, dass Patrick es von den Nonnen erfahren würde, wenn die sie ertappten. Es war ihr egal. Sie wollte nur, dass Rafiq blieb.
    Irgendwann in der Nacht, während Margaret schlief, begann es zu regnen. Sie erwachte früh, mit einem Gefühl ungeheurer Erleichterung. Sie setzte sich auf und sah sich um. Kein Rafiq, kein Brief.
    Er war hier gewesen, und jetzt war er fort.
    Der Regen tränkte die Erde, und das Land feierte. Alle machten frohe Gesichter, selbst die Nonnen. Die schweren Regengüsse überfluteten Straßen und sorgten für schlammige Fußabdrücke überall, aber die Erde bekam endlich die lang ersehnte Labung. Die Veränderung der Landschaft ging beinahe augenblicklich vor sich. Als Margaret aus dem Krankenhaus kam, empfing sie ein Panorama knospenden Grüns.
    Patrick war besorgt und rücksichtsvoll und arbeitete die nächsten zwei Wochen weniger als sonst. An den Wochenenden blieb er zu Hause. Sie durfte sein – einfach sein – und war dankbar dafür. Sie versuchte, aus wässrigen Tiefen an die Oberfläche zu schwimmen, und an manchen Tagen schaffte sie es. An anderen Tagen, den verlorenen Tagen, schaffte sie es nicht einmal, aufzustehen.
    Später, als die verlorenen Tage immer weniger wurden, begann Margaret, jeden Fortschritt als Meilenstein zu sehen. Erster langer Spaziergang. Etappe geschafft. Erste Autofahrt in die Stadt. Etappe geschafft. Erster Tag wieder in der Redaktion. Etappe geschafft. Erster Besuch im Tennisklub. Etappe geschafft. Als sie sich getraute, die ersten Bälle zu schlagen und dann sehr schnell Lust bekam, eine Partie zu spielen, wusste sie, dass ihr Körper wieder gesund war.
    Patrick hatte auf diesen Moment gewartet. Er kehrte zu seinem gewohnten Tagesablauf zurück, und ein paar Tage später wollte er am Abend mit ihr schlafen. Margaret fühlte sich noch nicht bereit dazu,

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