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Das erste Mal und immer wieder

Das erste Mal und immer wieder

Titel: Das erste Mal und immer wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moos
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mir im Nacken und stellte mir einen Betreuer zur Seite, der nun dreimal die Woche den ganzen Tag bei mir rumhing. Argwöhnisch betrachtete er mein Verhältnis zu Steffen, und ich war bemüht, gute Miene zum für mich bösen Spiel zu machen.
    Finanziert wurde ich nun wieder aus der »Staatskasse«, und es dauerte nicht lange, und alles wuchs mir erneut über den Kopf. Die Behörden befanden die Wohnung als viel zu teuer, und ich musste umziehen. Das Viertel war verrufen in der ganzen Stadt, mein erster Sohn musste den privaten Kindergarten gegen einen staatlich finanzierten tauschen, und ich zog nun in »staatlicher Begleitung« von einem Sonderangebot der Märkte zum anderen. Das alles verbesserte mein Verhältnis zu Steffen nicht. Oft gab ich ihm im Stillen die Schuld.
    Natürlich war das Blödsinn, das wusste ich. Aber ich wollte die Schuld nicht tragen und wusste nicht, wem ich sie sonst auferlegen konnte.
    Um alles mal wieder irgendwie einfacher zu gestalten, nahm ich das Angebot meiner Schwiegermutter, Chrissi bei sich aufzunehmen, dankbar an. Ich war froh, dass er aus diesem schmierigen, überfüllten und lauten Kindergarten herauskam. Bald regte der Betreuer an, aus dieser nun neuen Situation das Beste zu machen. Ich sollte eine Arbeit als Grafikerin annehmen und Steffen tagsüber in einen öffentlichen Kindergarten geben. Das tat ich, tat alles phlegmatisch, wie es mir geraten wurde. Stefan zahlte zu der Zeit nichts. Er ließ sich aus Kummer gehen und ging keiner Arbeit nach.
    Ich begann das Leben und die Welt zu hassen. Tanja war da, Laura war da. Beide unterstützten mich, und ohne sie hätte ich sicher andere, schlimmere Sachen gemacht. Tanja nahm, wann immer sie konnte, Steffen zu sich, und Laura half mir dauernd aus finanziellen Schwierigkeiten heraus. Zu Stefan hatte ich keinen Kontakt. Es tat mir viel zu weh, seine Stimme zu hören. Ich hatte Sehnsucht nach meinem Chrissi und nach Stefan. Ich fühlte mich allein und fing erneut an herumzustreunen.
    Ich war nun 23 Jahre und wieder rothaarig und arm. So sah ich aus, so fühlte ich mich, und so bumste ich auch. Es waren durchweg schmierige, eklige Typen, denen ich in die Arme lief. In billigen Kaschemmen lauerten sie überall, um willige Beute zu reißen. Sie heuchelten mir Verständnis vor und erzählten mir ihr eigenes verkorkstes Leben. Der letzte Trinkspruch begann dann mit dem »Hauptsache, wir sind gesund«-Gelaber und endete mit: »Wie isses, zu mir oder zu dir?«
    Was folgte, war sinnloses Gebumse in ungewaschenen Laken. Sie waren tätowiert, hatten lange Haare und gelbe Fingernägel vom Nikotin. Aber sie waren nett, und manchmal entspannten sie mich sogar.
    Der Kreis hatte sich wieder geschlossen. Und ich gab nach, ließ mich fallen. Umsorgte Steffen mit einer eigenartigen, unheilvollen Distanz, sehnte mich nach Chrissi und vermisste die tiefe, beruhigende Stimme Stefans an meinem Ohr.
    War ich noch vor kurzem eine Edeldirne und hatte mein Geld mit angesehenen Bürgern verdient, so lief ich nun wie eine billige Nutte des Nachts durch die Straßen und fickte umsonst alles, was sich bot. Genauso zog ich mich an, genauso fühlte ich mich auch. Es verging fast keine Nacht, in der ich nicht mit einem Tempo ein Gummi von irgendeinem Schwanz zog.
    Nach langen Monaten, die vergingen mit Kindergartenwegen, billigen Bürodiensten und nächtlichem Herumgeziehe, entließen mich die Behörden als tauglich, Mutter zu sein. Mein Sachbearbeiter war ganz stolz auf seine Leistung und drückte mich beim Abschied. »Sie schaffen das schon, auf dem richtigen Weg sind Sie nun.«
    Ich übergab mich, sobald er weg war. Er hatte ja keine Ahnung.
    Abends fuhr ich in den »Champagnerkelch«. Ich wurde mit großem Hallo begrüßt, war wieder zu Hause. Ein paar Tage später nahm ich Steffen aus dem fiesen Kindergarten heraus und brachte ihn zu Tanja. Er war blass und mager, sah wie ein Häufchen Elend aus. Ich glaube, er war froh, dass er dort nicht mehr hin musste. Er war viel sensibler als mein Chrissi. Er hatte das Äußere seines Vaters geerbt, doch in ihm schlummerte meine »empfindsame Seele«. Er war noch immer sehr verschlossen mir gegenüber und attackierte mich häufig mit Wutausbrüchen und Schreikrämpfen.
    Am Wochenende fuhr ich jedes Mal mit ihm in einen nahe gelegenen kleinen Streichelzoo mit angrenzendem Kinderspielplatz. Dort kam er zur Ruhe. Er liebte Tiere, und er liebte es, draußen herumzutoben. Manchmal, wenn ich ihn ansah, erinnerte er mich wieder an

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