Das erste Mal und immer wieder
schlechten Wochenendes im »Champagnerkelch« gleichkam. Auch tagsüber war ich nun übellaunig und müde. Stefan verließ um 6.00 Uhr das Haus, und Steffen erwartete gewohnte Fürsorge und seine Spielstunden mit mir. Aber ich hatte immer weniger Lust dazu, war erschöpft und regte mich über alles auf. Der kleine Junge wurde immer verstörter durch das angespannte Leben. Konnte er einerseits nicht begreifen, was passierte, hörte er doch immer öfter die lauten Stimmen seiner Eltern. Und auch die Schläge seines Vaters. Immer öfter rasselten wir zusammen, und immer öfter »rutschte« ihm die Hand aus.
Stefan war, genau wie ich und auch Steffen, in dieser Situation gefangen. Chrissi war durch seinen Hortgang, das Spielen draußen mit Freunden und den Besuchen bei seiner Oma nicht so involviert. Er entwickelte sich außergewöhnlich schnell und ausgeglichen, war stets freundlich und artig und pflückte, wann immer er dazu kam, draußen Blumen »für die schönste Mami der Welt«.
Mit Steffen war das anders. Immer öfter fiel sein Name, wenn wir stritten, und immer öfter war er im Zimmer.
Das kleine Kerlchen zeigte bald Verhaltensstörungen. Er schrie oft und lang anhaltend, war unruhig und schreckhaft. Er kuschelte viel und begann im Gegenzug damit, sein Spielzeug kaputtzumachen.
Und er ahmte mich nach. Er verstaute alle möglichen Gegenstände, so wie er es bei mir gesehen hatte, unter seinem Bett. Er baute Höhlen und Nester und versteckte altes Brot und Kakaoflaschen darin. Manchmal fand ich richtige kleine Lager. Er saß dann da und war stolz. Er versuchte mir zu erklären, was er da versteckte und wie schön das sei. Ich wurde sauer und schimpfte über die verschimmelten Sachen, um die sich teilweise schon ein Fliegenschwarm bildete.
Sein Sprachvermögen war seinem Alter nicht angemessen, und als alle seine Alterskameraden schon längst deutlich sprechen konnten, nuschelte er noch immer wie ein Kleinkind. Ich registrierte und ignorierte. Ich hoffte auf ein Wunder, baute auf die Zeit. Aber die war in diesem Fall gegen mich.
Und eines Tages schlug ich Steffen. Er kreischte und lief aus dem Zimmer. Seine Hände hielt er schützend an den Kopf. Ich gab ihm ein paar schallende Ohrfeigen. Um direkt danach zusammenzusacken und zu heulen. Ich lief hinter ihm her und griff nach ihm. Versuchte ihn an mich zu ziehen, ihn an mich zu drücken, wollte ihn trösten und mich selbst auch. Aber Steffen »verkrümelte« sich in einer Ecke und starrte mich böse an. Ich ging vor ihm auf die Knie und legte mein Gesicht in meine Hände. Ich lockte ihn und weinte. Ich stammelte: »Es tut mir leid, so leid.« Da kam er aus »seinem Versteck«, umarmte mich und küsste mich mit seinem kleinen feuchten Mund. »Wir ham uns doll lieb«, sagte er. Ich war erleichtert und trotzdem völlig fertig. Ich rief Tanja an, und wir trafen uns beim Kinderarzt. Ich verheimlichte nicht, wieso ich da war. Ich musste wissen, ob mein Sohn irgendwie verletzt war.
Alles war gut, aber mir gab der Arzt etwas zur Beruhigung. Er notierte sich »Auffälligkeiten« und »Anomalien« und fasste alles in einem ziemlich unschönen Bericht zusammen. Und den schickte er dann zum Jugendamt. Und wieder gingen die »Behörden« bei mir ein und aus.
Mein Verhältnis zu Steffen war seit diesem Tag gestört. Es war nicht seine Schuld, aber die »schnüffelnden Typen vom Amt«, die kamen, wann sie wollten, Fragen stellten und die Wohnung inspizierten, weckten in mir schlimmste Erinnerungen. Ich musste zu Gesprächsgruppen, wo die Väter starke Alkoholiker waren und die Mütter an hysterischen, übernervösen Spannungszuständen litten. Ich fühlte mich in einen Kreis »Asozialer« gestoßen und völlig unverstanden. Das Schlimmste war: Es änderte sich nichts, gar nichts. Das Geld blieb knapp, die Beziehung zwischen mir und Stefan angespannt und mit kleineren Gewaltdelikten seinerseits verschandelt. Und Steffen kam ich auch nicht näher.
So beschloss ich, die Konsequenzen zu ziehen. Mein Kind war keineswegs gestört, es war die Verbindung zwischen mir und Stefan, die schuld war. Wir trennten uns. Stefan zog aus.
Es war ein schwarzer Tag in meinem Leben, ich liebte ihn sehr. Und er liebte mich und die Kinder. Wir waren traurig und zerrissen, unsere Träume zerstört. Wir weinten beide, als die Tür ein letztes Mal hinter ihm ins Schloss fiel.
LIEBESDIENERIN
Meine Arbeit im »Champagnerkelch« wiederaufzunehmen, war mir nicht direkt möglich.
Das Jugendamt saß
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