Das erste Mal und immer wieder
meldete sich immer öfter, und es war immer schwerer für mich, Stefan die heile Welt vorzuspielen. Aber größer als die Angst, dass alles rauskam, war die Sorge, dass ich, wenn ich es nicht tat, bald wieder mit leeren Händen dastehen würde.
Schreckliche Filme von bereits Erlebtem durchzogen meine Träume und meinen Kopf. Ich wollte auf keinen Fall wieder arm sein.
Dirk traf ich auch wieder. Oft ließ ich meinen Frust und meine unterschwellige Wut an ihm aus. Er freute sich darüber und war sexuell ausgeglichen.
Ich schlief wenig, und meine Söhne reagierten erneut unterschiedlich auf meine Stimmungsschwankungen. Während an Chrissi alles abperlte und er immer gut gelaunt mit allem zu mir kam, wurde Steffen immer sensibler und zurückgezogener. Es gab Tage, da gab ich es auf, mich um ihn zu bemühen, und machte dadurch alles nur noch schlimmer. Er war immer böse auf mich, und manchmal begann es mich richtig anzukotzen. Es kam mir vor, als wüsste er, was ich tat, und gleichzeitig schalt ich mich selbst als überempfindlich.
Stefan blieben diese Spannungen natürlich nicht verborgen. Wenn er da war, drückte ich ihm nun Steffen aufs Auge und nannte ihn immer öfter seinen Sohn. Ich wurde gemein und ungerecht. Der Kreis schloss sich wieder, und es war allein meine Schuld. Und diese drückte schwer auf mir. Streitereien blieben nicht aus und gipfelten bald wieder in Ohrfeigen und wüsten Beschimpfungen. Man tuschelte im Haus, dass ich des Nachts auswärts war und erst am Morgen aufgeputzt wie eine Nutte zurückkommen würde. Meine Arbeit erwähnte ich nicht, ließ Stefan in dem Glauben, dass ich mich einfach herumtrieb.
Alles eskalierte, entzog sich meiner Kontrolle, und ich, die die Fäden hielt und mit dem Rücken zur Wand stand, sah zu und konnte keine Alternative finden. Denn ich konnte nicht aufhören zu arbeiten.
Es wurde zu einer fixen Idee. Meinen fehlenden Verdienst – zu früher – ersetzte ich jetzt mit einer Doppelschicht. Laura war leicht zu überreden, jetzt auch noch tagsüber privat in einer Wohnung mit Zeitungsanzeigen zu arbeiten. Chrissi war in den Ferien bei seiner Oma und Steffen bei Tanja. Wir arbeiteten rund um die Uhr, bis wir nicht mehr konnten, bis wir total erschöpft waren.
Als Stefan zwei Wochen später nach Hause kam, stritten wir uns heftig. Es endete wie gewöhnlich. Nur konnte ich diesmal Steffen aus den Augenwinkeln sehen, der wie gelähmt an der Tür stand. Es reichte, es ging nicht mehr. Ich ging zum Arzt und bekam eine Mutter-Kind-Kur verschrieben.
Ich schrieb Stefan einen langen Brief und erzählte ihm alles! Alles, ich ließ nichts aus. Erwähnte meine starke Liebe zu ihm.
Aber die Schwäche und die Angst zu versagen, völlig ohne alles dazustehen, kämpften mit diesen Gefühlen für ihn. Ich nahm meine Kinder und fuhr mit ihnen in eine wunderschöne Zeit in die Berge. Von Stefan hörte ich drei Wochen nichts. Dann meldete er seinen Besuch an. Als er kam, sah er furchtbar aus. Er hatte im Bund eingesessen, da er nach meinem Geständnis im Alkoholrausch ausgerastet war und sich geprügelt hatte. Mittlerweile hatte ich Angst vor ihm, wenn er was getrunken hatte.
Gespräche darüber endeten jedoch im Leeren. Er wollte nicht einsehen, dass auch das ein Problem in unserer Beziehung war. Er gab immer den Umständen die Schuld. Sicher, genau wie ich. Aber selbst ich wusste im Stillen, dass es viel mehr war als nur die Umstände.
Wir sprachen uns aus. Stefan zeigte Verständnis, aber auch Wut und Schlimmeres. Er fühlte sich gedemütigt. Er fühlte sich und seine tiefe Liebe zu mir verraten, und er fühlte sich getäuscht. Er fing an, alles in Frage zu stellen, was ich je getan oder gesagt hatte.
Er blieb drei Tage, und wir hatten Gelegenheit, uns in seinem Hotelzimmer zu lieben. Es war kein Sex. Es war ein Schrei nach Hilfe. Wir klammerten uns aneinander, als gäbe es kein Morgen mehr. Es erinnerte mich an die Nacht, als er um meine Hand angehalten hatte. Mit jedem Stoß erklärte er mir seine Liebe. Mit jedem Kuss erklärte er mir seinen Willen, alles durchzustehen und zu verzeihen. Und ich gab ihm nach meinem Höhepunkt, der hart und schnell war wie seine Stöße, das Versprechen, mit allem aufzuhören und an uns und unsere Familie zu glauben. Stefan reiste ab und erwartete mich in drei Wochen zu Hause. Ich kurte weiter, jetzt wesentlich erleichterter, und nahm auch aktiv an allen Gesprächsangeboten für Beziehungskrisen teil. Auch meine Kinder wurden einbezogen.
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