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Das erste Mal und immer wieder

Das erste Mal und immer wieder

Titel: Das erste Mal und immer wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moos
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…« … es tat ihm so leid …
    Tanja kam. Natürlich kam Tanja. Auch mitten in der Nacht. Sie war immer da, wenn ich sie brauchte. Sie beruhigte Steffen, machte ihm Tee, brachte ihn zu Bett. Sie kochte Kakao für Chrissi, legte ihn schlafen. Sie wusch mein Gesicht und brachte mich zum Notarzt. Nasenbeinbruch. Mit einer schlimmen Alkoholfahne, dicken, verheulten Augen, in Minirock und Pumps beim Notarzt. Samstagnachts mit Nasenbeinbruch vom eigenen Ehemann. Ich glaube, überdeutlicher konnte man nicht als asozial abgestempelt sein.
    Der Arzt versorgte mich und stellte keine weiteren Fragen. Ich bekam zwei Wattebäuschchen in die Nase und einen Plastikschutz darüber. Erst mal konnte man nichts weiter machen, und später habe ich es auch nie getan. Ich dachte an Marianne, die Tochter vom alten Heinz, mit ihren Träumen und ihrem platt geschlagenen Näschen. Jetzt war ich ihr näher als zuvor, fühlte mich ihr verbunden. Dachte an sie, dachte an alles und war vor Scham und Unglück völlig verzweifelt.
    Am nächsten Tag kam Chrissi zur Oma. Ich plünderte mein Konto und blieb zu Hause. Ich beobachtete Steffen und stellte extreme Veränderungen fest. Er war jetzt viel ernster, ruhiger, aber auch in sich gekehrt. Er wurde anhänglich und sah oft leer und einsam aus. Wenn ich ihn ansah, wie er auf dem Boden mit seinen Autos ohne Geräusche spielte, sie immer wieder nach vorn und nach hinten bewegte, fast mechanisch, überkam mich eine große Angst.
    Vorgewarnt durch meine schlechten Erfahrungen, beantragte ich das alleinige Sorgerecht und zeigte Stefan wegen Körperverletzung an. Dadurch sicherte ich mir jedes Recht an meinem Sohn, wie mein Anwalt mir erklärte. Aber Stefan hing viel zu sehr an den Kindern. Immer wieder bekam er Besuchsrecht, und immer wieder stritten wir, wenn er da war. Ich zog um, verweigerte meine Adresse. Er bekam sie vom Gericht. Ich zog wieder um, so ging es viermal. Ich war erschöpft, Stefan war am Ende und Steffen mittendrin, völlig verloren und ganz allein. Das Gericht handelte, und Stefan durfte den Jungen jetzt mitnehmen, um ihn zu sehen. Damit war ich nicht einverstanden, wollte Stefan aus meinem Leben verbannen. Nicht nur wegen der Vorfälle. Ich gab ihm nicht allein die Schuld. Es war auch die Liebe, die ich immer noch in mir spürte.
    Gespräche mit dem Pfarrer unserer Kirche brachten mich schließlich auf ein katholisches Kinderheim. Dorthin brachte ich Steffen und war nicht bereit, dem Gericht oder dem Vater Auskunft darüber zu erteilen, wo der Junge sich befand.
    Katzen fressen ihre Babys, Kinder schlagen ihre Hunde, Mütter ihre Kinder und Männer ihre Frauen. Der Starke beherrscht den Schwachen, der Kluge den Dummen.
    Ich unterscheide nicht mehr zwischen psychischer und physischer Gewalt. Beides ist gleich schlimm und wird oft miteinander beantwortet. Nur ist der, der zuschlägt, immer der Täter. Für Gewalt in der Ehe gibt es keine Entschuldigung. Trotzdem habe ich gelernt, dass man Menschen im Leben trifft, die unter psychischem Druck sehr wohl zum Täter werden. Im nettesten Nachbarn kann ein Kindermörder schlummern. Schlimm sind auch die, die mit ihrem Schöngeist und ihren Launen andere bis aufs Blut quälen, sie fertigmachen und dann auf den Boden spucken, wenn jemand eine Ohrfeige verteilt hat und sie davon hören.
    Natürlich kam ich nicht lange damit durch. Das Jugendamt schaltete sich ein, und Steffen kam nun in ein anderes Heim. Dort konnte ich ihn sonntags besuchen. Ich fuhr mit ihm zum Tierpark, ging mit ihm schwimmen, versuchte mich ihm zu nähern. Er war lieb, ganz artig jetzt, ging immer an meiner Hand. Aber er wurde immer ruhiger und fing an, sich förmlich zu bedanken, wenn ich ihm ein Eis kaufte. Er hatte keine Wutausbrüche mehr und keine Schreianfälle. Fast vermisste ich das. Er war so zierlich und blass. So klein für sein Alter und so still. Ich bereute jeden der letzten Monate bitterlich. Ich bereute so ziemlich alles und fing an zu beten. Aber niemand erhörte mich, ich musste zusehen, wie mein kleiner blonder Prinz sich in eine dünne Marionette seiner Umgebung verwandelte.
    Eines der letzten Male, an denen er bei mir war, verbrannte ich mich an der Glut einer Zigarette. Ich schrie erschreckt auf. Es war nicht schlimm gewesen, die Glut war mir aufs Bein gefallen. Steffen sprang auf, klammerte sich an mein Bein und stammelte: »Tut mir leid, tut mir so leid.« Er fing an zu weinen. Ich nahm ihn hoch, um ihn zu beruhigen, wiegte ihn in meinen Armen und

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