Das erste Mal und immer wieder
anfreunden müsse, dass jedes Kind einmal dem »großelterlichen Leben« entwuchs und nun anderes für ihn wichtig wurde. Endlich konnten wir nach Hause fliegen. Unser Leben in dem spanischen Bergdorf konnte beginnen!
Genauso, wie Tommy letztendlich sein Herz für meinen »schwer erziehbaren Hund« geöffnet hatte, genauso auch nahm er meinen Sohn an. Kompromisslos ersetzte er ihm fortan den Vater. Unser Leben verlief erst einmal ruhig und beschaulich.
Chrissi wurde in die Dorfschule eingeschult und mit der fremden Sprache konfrontiert. Es gab überhaupt kein deutsches Kind in der Nähe, und er verbrachte seine Zeit mit den Jungen, von denen er keinen verstehen konnte.
Er blühte trotz allem auf, lernte rasant die spanische Sprache in all ihren Dialekten und plapperte kaum ein Jahr später genau wie seine Freunde. Vormittags verbrachte ich jetzt meine Zeit in Tommys Büro. Nachmittags fuhr ich mit Chrissi zum Supermarkt, wir kauften ein, kochten oder liefen stundenlang mit dem Hund in den Bergen umher. Tommy war immer in Bewegung.
Er nahm jeden Termin persönlich wahr und war ständig unterwegs. Ich hüllte mich in ihn, seine Geradlinigkeit, seine Ehrlichkeit und sein Erfolg waren mir Gewissheit genug. Ich war zu Hause. Genoss es seit langem mal wieder auszugehen. Genoss es einzuschlafen, auch wenn er nicht da war, ohne Angst, durch Streitereien geweckt zu werden. Genoss es, keinerlei Eifersüchtelei über mich ergehen lassen zu müssen, und gab ihm selbst auch jede denkbare Freiheit. Wir lebten zusammen und nebeneinander. Keiner kreuzte beengend die Wege des anderen, wir entwickelten uns zu einer Einheit und setzten jeden Plan erfolgreich um.
Ich begann wie besessen am Computer zu arbeiten, studierte die dicksten Handbücher und entdeckte erneut den Spaß am Kreativen. Tommy unterstützte mich, machte mir Mut und feuerte mich an. Alles, was ich in frühen Jahren auf dem Papier gelernt hatte, konnte ich nun auch »online« umsetzen. Ich begann auf diesem Gebiet zu »arbeiten«, stellte Webdesign zum Verkauf und war mir sicher, ganz sicher, dass mein Glück bald in einer dritten Ehe gipfeln würde.
Christopher fand sich bald als festes Mitglied einer großen spanischen Clique und war in der Schule immer einer der Besten. Er verwandelte sich direkt vor unseren Augen in ein unbeschwertes spanisches Kind und ist es bis heute geblieben.
Meine SM-Pläne hatte ich völlig aufgegeben, auch meine »Hurenzeit« lag weit hinter mir. Tommy hatte bis zu diesen Tagen niemals etwas herausgefunden, und wenn doch, sprach er nicht darüber. Wir liebten uns, gingen schwimmen, jagten im Jetski über das Meer. Wir grillten mit Freunden, durchstreiften des Nachts etliche Discos und Cafés. Er zeigte mir schöne Plätze, wir besichtigten alles, wozu ich vorher nie Zeit gefunden hatte. Wir waren alle sehr glücklich, und keiner hatte das Gefühl, etwas zu vermissen! … dachte ich …
Die Veränderung in mir begann unmerklich und schleichend. Immer öfter strengte mich Tommys gute Laune an. Immer öfter war ich zu müde, um mit ihm mitzuhalten. Immer öfter verkroch ich mich lieber zu Hause.
Mein Appetit sackte auf ein Minimum, es stellten sich körperliche Beschwerden ein. Immer wieder suchte ich den Arzt auf: Ich war kerngesund! Es war immer das Gleiche, und die Arztrechnungen verbesserten meinen Zustand nicht. Tommy wurde ungeduldig. War er am Anfang sehr liebevoll mit der »komischen« Situation umgegangen, nervte es ihn nun doch. Er wollte leben, wollte raus, wollte tausendundeine Sache erledigen. Langfristige Verabredungen, gemeinsame Pläne ließ ich platzen, weil ich »mich nicht wohl fühlte«. Immer öfter war die Wohnung nun unordentlich, immer öfter lag ich bis mittags im Bett. Bleierne Müdigkeit nahm mich gefangen, und hämmernde Kopfschmerzen raubten mir nachts den Schlaf. An körperliche Liebe zwischen uns war jetzt nach zwei Jahren ausgefüllter Beziehung nicht mehr zu denken. Immer öfter wies ich ihn ab, bis er schließlich nicht mehr fragte.
An meinem 28. Geburtstag verlangte er dann eine Entscheidung. Wir waren eingeladen, es war Abendgarderobe erwünscht. Als Geschenk schmiss er mir ein Bügelbrett und eine Haarkur ins Zimmer, so könne man mit mir ja unmöglich mehr losgehen. Er hatte Recht, ich ließ mich gehen. Ging schon lange nicht mehr ins Büro. Kümmerte mich um wenig und lebte ausschließlich von dem Erlös der Kneipe. Und der ging rapide zu Ende. Immer da war mein Sohn. Bald räumte er wieder
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