Das erste Mal und immer wieder
geklärt« war. Einen Anwalt konnte ich nicht einschalten, es war die Maximumgrenze, die hier ausgeschöpft wurde. Als ich endlich frei kam, wurde meine Kneipe geräumt und war wie leergefegt. Die alten Sachen hatte ich natürlich verkauft, um Platz zu haben, somit blieben mir nur leere Regale, leere Räume und eine total verwüstete Küche ohne Elektrogeräte. Die Eigentümerin der Wohnung, eine sehr, sehr nette Frau, gestand mir zwei Wochen zu, ehe ich ihre Räume zu verlassen hatte. Die beiden »Verbrecher« waren weg, geflohen, und ich hatte zudem keinen Pfennig Geld mehr. Mein Flugticket war verfallen, Christopher weinte am Telefon, und auch Tommy sparte mit Vorwürfen nicht. Ja, glücklich war ich dieser Tage wirklich nicht!
Ich war nahe dran, meine Pläne total zu ändern und wieder nach Deutschland umzusiedeln. Aber ich hatte noch immer Tommy, ich war sehr verliebt in ihn. Auch den Monsterhund hatte ich jetzt zu versorgen und konnte ihn mir nicht recht in einer Stadt vorstellen. Mein Sohn bestand auf meinem Versprechen, dass er wenigstens eine Zeit lang am Meer wohnen könne. Tommy nahm mir schließlich die Entscheidung ab. Er bot mir einen »Job« als Sekretärin in seiner kleinen Firma an, und die Kneipe sollte ich verkaufen. Meinen Sohn sollte ich holen, er spendierte die Tickets, und wir würden zu dritt im Dorf bei den Bergen wohnen. Ich willigte ein. Nur zu gerne.
Überraschenderweise fanden wir fast umgehend einen Käufer für die doch sehr ramponierte Kneipe. Ein freundlicher Mann aus Hamburg, das Geld brachte er direkt und vollständig mit. Ich war erleichtert, beruhigt, alles war gesichert. Zusatzeinnahmen von der Arbeit bei Tommy garantierten mir mindestens zwei ruhige Jahre. Ich war jetzt fast 27 und fühlte mich schon wie 40. Ich überlegte nicht mehr lange, glaubte, meinen Weg nun gefunden zu haben. Die Insel hatte sich mir in allen Farben gezeigt, sich vor mir gedreht, mir gedroht, mich gewärmt und mir Angst gemacht. Aber ich hatte sie bezwungen, und so stieg ich nach einigen arbeitsreichen Tagen erschöpft, aber glücklich ins Flugzeug. Nun wäre ich endlich wieder mit meinem Christopher zusammen. Nach der ganzen Katastrophe – ich freute mich wahnsinnig auf ihn.
ATEMNOT
Leider war nicht alles so einfach, wie ich es mir dachte. Meine Schwiegermutter gab den Pass des Jungen nicht heraus und wandte sich mal wieder ans Jugendamt. Der Rückflugtermin verschob sich auf unbestimmte Zeit. Ich reagierte genervt und gestresst. Christopher bei mir, jetzt zusammen in der Wohnung meines Bruders, wollte unbedingt abreisen. Natürlich liebte er seine Oma und seinen Opa sehr, aber jetzt wollte er wieder bei Mama sein. Aussicht auf langfristigen Erfolg hätte meine Schwiegermutter nur, und das ebenfalls ziemlich unwahrscheinlich, durch die Hilfe von Jörg gehabt. Aber der stellte sich für mich völlig überraschenderweise auf meine Seite und verweigerte ihr die Unterstützung. Auch Zahlungen leistete er jetzt, bescheidene und mit den Worten verziert: »Ich tue, was ich kann.«
Ich war ihm dankbar, erschien er mir doch nicht mehr völlig als unsensibles Monster. Mittlerweile hatte er seine langjährige Freundin geheiratet und war wohl glücklich. Ausgeglichen, wie er derzeit war, stand ihm ganz sicher nicht der Sinn nach einem erneuten, und wie er sehr wohl wusste, aussichtslosen Streit um das Kind. Erst recht nicht seiner Mutter zuliebe, mit der er nach wie vor zerstritten war.
Trotzdem meldete sich das Jugendamt, und ich konnte mit meinem Sohn nicht ausreisen, bevor ich den Pass hatte.
Zu der Zeit waren offene Grenzen noch nicht »passlos« passierbar. Ich kürzte ab, meldete mich beim Jugendamt und bat darum, meinen Sohn anzuhören, in Abwesenheit von mir und der Oma. Sollte sich mein Sohn wirklich dazu entscheiden, hier zu bleiben, wäre ich die Letzte gewesen, die ihn »weggerissen« hätte. Das machte ich deutlich, und es kam zu dem Termin. Meine Schwiegermutter erzählte wahre Horrorgeschichten, »von einem weinenden Kind, das sich an ihre Beine geklammert hätte«. Ich verdrehte die Augen, sie war wirklich völlig verzweifelt, und fast tat sie mir leid. Ich wusste, dass mein Sohn ihr Lebensinhalt und der ihres Mannes geworden war. Trotzdem ich ihr fast alles vergab, konnte ich nicht vergessen, dass niemand dieses Kind hatte haben wollen!
Die Sachbearbeiterin entließ ein absolut ausgeglichenes Kind aus dem Zimmer. Sie teilte meiner Schwiegermutter mit, dass sie sich mit dem Gedanken
Weitere Kostenlose Bücher