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Das erste Mal und immer wieder

Das erste Mal und immer wieder

Titel: Das erste Mal und immer wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moos
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Wartete auf ihn. Als er kam, rief er auf mein Geheiß sofort den Arzt. Diesmal ein neuer Arzt, er war erst ein paar Tage auf der Insel. Ein deutscher Arzt. Mit Blaulicht und Sirene fuhr er vors Haus. Mit zwei Sanitätern betrat er die Wohnung. Sehr schnell ließ er mich wissen: »Sie leiden an multiplen Phobien, immer schlimmer werdenden Angstattacken, befinden sich im ständigen Zustand höchster innerer Erregung, egal wie phlegmatisch Sie wirken.«
    Ich staunte. Meine Hölle bekam einen Namen, meine Krankheit konnte bezeichnet werden. Ich verliebte mich in den Arzt. Forderte ein Rezept. »Ich und niemand hier kann Ihnen helfen. Was Sie brauchen, ist ein Krankenhaus in Deutschland. Eines, das darauf spezialisiert ist. Ein Nervenkrankenhaus. Eine mehrwöchige Therapie und einen Tablettenentzug.« Er sah mich sehr ernst an. Und füllte schon Papiere aus.
    »Bitte helfen Sie mir«, flehte ich. »Ich kann nicht weg, ich habe einen Sohn und einen Freund.« Ich fing an zu weinen, hatte Angst und wollte in keine Nervenheilanstalt. Er gab mir vier Tabletten. Sie würden bis nach Deutschland reichen. Und er gab mir die Telefonnummer eines Freundes, eines Psychiaters. Da würde ich dann weiterführend bis zur Einweisung behandelt.
    Wenigstens in einem zeigte sich das Schicksal gnädig. Der Arzt war ansässig in meiner alten Stadt. Ich würde meinen Bruder sehen, Stefan wäre da, Tanja und Laura. Ich hatte sie alle ewig nicht gesehen. »Wie lange wird das alles dauern?«, fragte ich nun ängstlich, aber bereit, mich »zu ergeben«.
    »Vier Wochen«, log er, »nicht mehr als vier Wochen, dann sind Sie wieder zu Hause.« Ich glaubte ihm.
    Den Rest betuschelte er mit Tommy im Nebenraum. Er war nach Hause gekommen, als mein Sohn ihn telefonisch darum bat. Erschrocken stürmte er in die Wohnung, als er den Krankenwagen draußen sah. Er hatte mit dem Schlimmsten gerechnet. Sie besprachen alles, und Tommy schwor mir, sich um meinen Sohn und um meinen Hund zu kümmern. Ich wusste, ich konnte mich auf ihn verlassen. Weinend begleitete mich mein Sohn schon am nächsten Tag zum Flugzeug. Ich fühlte mich durch die starken Tabletten des Arztes seit langem wieder lebensfähig und tröstete ihn.
    »Ich komme bald wieder, in nur einem Monat, und dann ist alles wieder, wie es war.«
    »Ja, Mama, Hauptsache, du wirst gesund!«, erwiderte er traurig, aber in seinen Augen sah ich die Hoffnung auf meine Genesung. Und ich schwor mir in diesem Moment, alles, wirklich alles dafür zu tun. Mein Kampfgeist erwachte, und als ich am Flughafen wartete, war ich entschlossen, dieser fiesen Krankheit, die aus »dem Nichts« aufgetaucht war, die Stirn zu bieten.
    Mein Bruder empfing mich und brachte mich in seine Wohnung. Er lebte jetzt wieder von seiner Frau getrennt und hatte eine unmögliche rothaarige, völlig durchgeknallte neue Freundin. Nie mehr habe ich einen Menschen getroffen, der dermaßen selbstgefällig und süchtig nach Selbstdarstellung war. Ständig befand sie sich auf ihrer eigenen Bühne, spielte ihr eigenes Drama oder ihre eigene Komödie. Ich war besorgt. Diese Frau war auf keinen Fall das richtige Gegenstück zu meinem eigentlich sehr konservativen, sensiblen Bruder. Aber er lachte mich aus: »Du hast es nötig«, und ich lachte mit. Irgendwie hatte er ja Recht.
    Alle kamen. Tanja, Laura und auch Stefan. Es war gut, ihn zu sehen, ich hatte ihn vermisst. Alle hatte ich vermisst, und ich »suhlte« mich in ihrer Aufmerksamkeit, ihren Geschenken und ihrer Liebe, bevor Tanja mich schließlich zum Krankenhaus fuhr.
    Es war eine sehr gut geführte Privatklinik. Selbst auf den Tassen und Tellern hatte der Chefarzt, auch Besitzer dieses »Imperiums«, seinen Namen drucken lassen. Wir fuhren durch ein eisernes Tor. Hinter uns wurde alles verrammelt. Erst als ich mit meinen fünf Koffern in der Aufnahme stand, wurde mir wirklich klar, wo ich war.
    Es war eine geschlossene Nervenheilanstalt! Tanja musste gehen. Wir weinten beide, ich klammerte mich an sie. Beschwor sie, mich zu besuchen, bettelte um Briefe und Anrufe. Dann war sie weg, und ich war allein.
    Es folgte ein schmerzhafter, unangenehmer Tablettenentzug. Durch die vielen Monate, gefüllt mit Tabletten jeder Art, war mein Körper süchtig danach. Ich wollte es nicht glauben. Es war doch alles auf Rezept gewesen! Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Festgeschnallt auf einem Bett, in einem Zimmer ohne Fenster, kein Licht. Kein Laut war zu hören. Ich war mit mir allein. Die Schwestern

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