Das erste Schwert

bringen.
    Unsinn!,
rief Skip sich zur Ordnung. Der sterbende Edelmann
hatte
in dem unbekannten Assassinen eine Gefahr gesehen, eindeutig. Und genauso eindeutig stellte Kara keine Gefahr dar! Zumindest
     nicht für sie.
    Wie oft er auch zu Ellah und Erle hinspähte – sie schienen nicht im Mindesten beunruhigt. Was Skips Ängste minderte. Denn
     eines stand fest für ihn – dass Ellah gewiss keine Gelegenheit auslassen würde, Kara zu misstrauen – jener Kara, in der sie
     von Anfang an nur die Rivalin gesehen hatte. Wenn also Ellah keinerlei Anzeichen von Argwohn erkennen ließ, konnte auch er
     ganz beruhigt sein.
    So gelang es ihm schließlich, sich seiner Umgebung hinzuwenden. Er vermochte nicht zu sagen, wie lange er nur in sich selbst
     gefangen dahingetrottet war – aber in dieser Zeit |290| hatte sich der Wald grundlegend verändert. Der Boden war abermals feucht, und der Pfad schlängelte sich langsam, aber sicher
     jenen Feuchtwiesen zu, in welche der Fluss Elligar sein Bett gegraben hatte. Die hohen, mächtigen, berauschend duftenden Kiefern
     waren Schatten spendenden Haselnussbüschen und Birken gewichen. Der Wegesrand wurde geschmückt von üppigem grünem Gras, hoher
     Katzenminze und süß duftenden Heidelbeeren.
    Nur wenig erinnerte hier an zuhause – doch abermals spürte Skip, wie seine Stimmung sich hob. Der kühle Schatten des herrlich
     lebendig und gesund aussehenden Waldes legte sich wohltuend über sie. Welch ein Unterschied zu jener struppig verfilzten,
     nebligen Falle, die sie hinter sich gelassen hatten! Nicht ohne Frösteln vermochte er daran zu denken. Es waren die krankmachenden
     Tiefen des Pfuhls – sie verwirrten den Verstand der Menschen. Und dies gewiss umso mehr, je länger man seinen Ausdünstungen
     ausgesetzt war. Was eine Erklärung sein mochte für Garnalds Argwohn ihrer loyalen Gefährtin Kara gegenüber. Schließlich –
     lebte er als Pfuhlgänger nicht nahezu ständig in und mit diesem Land? Skip machte ein verdrossenes Gesicht und kam zu dem
     Schluss, dass es demnach wohl auch die Nachwirkungen jenes Giftes gewesen sein mussten, die ihn, wenn auch kurz, darüber hatten
     nachsinnen lassen, ob Kara möglicherweise nicht jene war, die zu sein sie vorgab.
    Er blinzelte wie erwachend und schüttelte alles ab. Weiden-Wirrholz lag nicht weit von der Hecke – der Grenze der Waldlande
     – entfernt, und es war neben Haselholz- und Rotbuchen-Wirrholz das einzige Haindorf, das in der allgemeinen Sprache anstatt
     der alten Sprache benannt worden war. Und es sah auch anders aus als Eichenhain und Schwarzkiefernhain. Die Häuser hatten
     Lehmziegelwände und waren mit Riedgras gedeckt; auch aus der Nähe sahen sie noch wie angstvoll hingeduckte Lebewesen aus,
     hier unten, |291| am Ufer des Elligar und halb verborgen inmitten der gewaltigen Schattenbaldachine uralter Trauerweiden.
    Die Bäume waren riesig. Skip, in dessen Vorstellung Weiden stets zierlich und zerbrechlich gewesen waren, musste verblüfft
     feststellen, dass einige von ihnen mit ihren sich im Wind wiegenden Girlandenästen ganze Wiesen überspannten. Ein Geruch von
     Honig und Flusswasser hing in der Luft, und Kochdüfte mischten sich darin, die seinen Magen knurren ließen.
    Was für ein Glück, dass ihre kleine Reisegruppe bereits zielstrebig dem Gasthof entgegeneilte und ihn gleich darauf betrat!
     Ein hagerer Mann mit dichten, buschigen Haupthaaren und ebensolchen Augenbrauen begrüßte Garnald mit stummem Nicken und ließ
     Kara nicht aus den Augen. Es war ein harter, unfreundlicher Blick, doch der Mann äußerte nichts, keine Warnung; stattdessen
     wurden die Gefährten mit einem Wink auf eine unter freiem Himmel liegende Terrasse hinausgeschickt, von der aus man den Elligar
     überblickte. Garnald führte sie an einen abseits stehenden Tisch im Schatten einer großen Weide.
    Von seinem Platz aus hatte Skip einen guten Ausblick über den Fluss hinweg und zum Gebüsch auf der anderen Seite, das nicht
     allzu weit entfernt mit dem Schutzwall der Hecke verschmolz. Das Unterholz zwischen den himmelhohen Ulmen war so dicht, dass
     er nicht den winzigsten Blick auf das, wie er wusste, dahinter liegende Grasmeer der Or’hallas zu erhaschen vermochte.
    Er starrte in den strudelnden Aufruhr der vorbeifließenden Wasser. Noch nie zuvor hatte er einen so breiten Fluss gesehen;
     sie hatten auf ihrem bisherigen Weg überwiegend jene vergleichsweise winzigen Ausläufer des Elligar überquert, die westlich
     der