Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
Vom Netzwerk:
Eine Woge intensiven Dufts stieg ihm in die Nase und machte ihm das Denken schwer.
    Er lebte. Er war auf der anderen Seite des Flusses.
    |322| Aber wie?
    »Übst du für eine Stelle als Hofnarr? Was sollte das?«
    Karas Gesicht kam in Sicht. Nass und strähnig klebten ihr die goldenen Haare am Kopf. Ihre dunkle Haut schimmerte bronzefarben
     im Flammen der Abendröte. Die violetten Augen verschleuderten Blitze.
    »Ich – ich weiß nicht«, hörte Skip sich stammeln. Seine Stimme klang wie die eines Fremden. Hohl. Er war sich überhaupt nicht
     sicher, dass dies seine Stimme war. Dann begriff er. Seine Gehörgänge waren noch immer voller Wasser. »Was ist denn passiert?«,
     krächzte er.
    Kara hatte es nicht eilig, ihm zu antworten. Ellah drängelte sich neben sie und blickte gleichfalls auf ihn herab. »Du hast
     dich viel zu langsam bewegt«, plapperte sie. »Und du wolltest und wolltest einfach nicht dein Bündel über den Kopf heben!
     Alle deine Sachen wurden nass. Und dann, als Kara sie dir abzunehmen versucht hat, bist du einfach untergegangen.«
    »Die Strömung ist wirklich ziemlich stark, da draußen«, sagte Erle. »Wahrscheinlich bist du über einen Stein gestolpert, den
     das Wasser dicht über dem Grund mit sich getragen hat.«
    Ein Stein also. Skip wünschte, er könnte sich daran erinnern. Er merkte, dass er sich an den Grasbüscheln festkrallte und
     hustete verlegen.
Es war kein Stein
, hörte er die tausend Stimmen des Elligar in seinem Kopf brüllen.
Kein Stein, nein.
Und er wusste, die Stimmen belogen ihn nicht. Der Fluss selbst war es gewesen,
er
hatte ihn angehoben, sachte und zärtlich wie eine Mutter ihr Kind wiegen mochte – und anders als eine Mutter hatte er ihn
losgelassen.
    »Und dann?«, fragte er benommen, schlafwandlerisch.
Die Vögel,
dachte er.
Die Vögel schreien nicht mehr. Sie sind verschwunden.
    »Kara war direkt neben dir«, fuhr Ellah eifrig fort. »Sie hat |323| dich gepackt und sich an Shadow festgehalten, und dem Pferd war’s ein Leichtes, euch beide mit zur anderen Seite hinüber zu
     ziehen. Der Elligar ist nur an dieser einen Stelle richtig tief. Wieder im seichteren Wasser war’s dann ein Kinderspiel.«
    So hätte er das nie im Leben ausgedrückt. Noch immer spürte er das Wogen und Schwanken und Atmen des Wassers; hörte den gewaltigen
     Herzschlag. Um dies alles abzuschütteln, regte er sich und wandte den Kopf. »Shadow   –« Nahebei sah er die Stute friedlich grasen. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne tupften kastanienrote Schimmerflecken
     auf ihr graues Fell.
    Kara und Shadow hatten ihm das Leben gerettet.
    Er streckte die Hand aus und berührte den Griff seines Schwertes, das er sich auf den Rücken gegürtet hatte. So war wenigstens
     die Waffe allzeit gut aufgehoben. Einmal mehr machte ihn die geheimnisumwitterte Klinge schaudern, wenn auch aus anderem Grund
     als sonst; sie zu verlieren, würde er sich niemals vergeben können.
    »Und? Ist mein Bündel verloren?«, fragte er.
    »Du hast Glück gehabt«, sagte Kara. »Die Strömung wirbelte das Ganze zu mir herüber; als du die Gepäckriemen losgelassen hast,
     waren sie schon wie Flussalgen um meinen Arm geschlungen. Also musste ich nur noch zugreifen.«
    »Und mein Mantel?«
    »Den hab ich aus dem Wasser gefischt«, verkündete Ellah stolz. »Er trieb an dieses Ufer herüber, und das auch noch schön langsam,
     weil er sich ganz ausgebreitet hatte. Ich bin ins Wasser gerannt und hab ihn herausgeholt.«
    »Danke!« Skip mühte sich nicht, seine Verlegenheit zu tarnen. Alle Sinne hatten ihn verlassen; seinen Gefährten war es überlassen
     geblieben, ihm das Leben und seine Habseligkeiten zu retten. Das alles war mehr, als er zu ertragen vermochte. Bis zur Weißen
     Zitadelle wollte er reisen? Größenwahnsinnig |324| war er! Selbst an Kleinigkeiten scheiterte er bereits. Beim Durchwaten einer sicheren Furt ohnmächtig zu werden – welch ein
     Possenstück! Was mochten sich seine Lebensgeister dann erst einfallen lassen, wenn es den Fluss erneut zu durchqueren galt,
     nach Jaimir, am Westufer, hinüber? Er wagte kaum, daran zu denken; nicht jetzt.
    »Dir ist bestimmt kalt«, sagte Ellah mit ganz mütterlicher Stimme. »Und dir auch, Kara. Lasst uns Feuer machen.«
    Es entging Skips Aufmerksamkeit nicht, dass die beiden Mädchen viel freundlicher miteinander umgingen als bisher. Das lenkte
     ihn von den niederschmetternden Selbstvorwürfen ab. Ihn zu retten, musste sie einander näher

Weitere Kostenlose Bücher