Das erste Schwert
dem Zerstörer.
Boydos wusste auch, dass kaum jemand, der von Seiner Heiligkeit befragt wurde, eine Überlebenschance hatte.
Also stelle keiner dem anderen Fragen und lasse sich auch nicht befragen
, sagte das
Buch der Gebote
.
Wer etwas zu sagen hat, der rede, wer nicht, der schweige still.
»Unser wahrer Bote«, sagte der Allheilige Vater schließlich, »wird nicht versagen.«
Mit diesen Worten streifte er den Ärmel seiner rechten Hand zurück und entblößte jenen quadratischen Gegenstand, den er darin
hielt. Bruder Boydos trat vor und warf einen Blick darauf.
Es war ein Sternendolch, eine Einheit aus vier tödlichen Klingen, in deren Zentrum ein Diamant funkelte. Nur ein- oder zweimal
in seinem Leben hatte Bruder Boydos solch eine Waffe gesehen, doch erkannte er sie sofort.
|366| »Ein Majat-Unterpfand«, flüsterte er. »Ihr habt einen Diamant-Majat in Eure Dienste genommen, um den Knaben herbeizuschaffen.«
Wie rasend hämmerte sein Herz. Er hatte gewusst, dass Elite-Kämpfer entsandt worden waren, den Jungen aufzuspüren – und stets
unterstellt, es handle sich dabei um Heilige Ritter.
Ein Majat im diamantenen Rang also!,
sagte er sich, um Fassung bemüht. Das offenbarte endgültig, mit welch hohem Einsatz um die Thronfolge gespielt wurde.
»Ja.« Seine Heiligkeit wechselte den Sternendolch von der Rechten in die Linke und tat einige nachdenkliche Schritte zu den
Grashalmen und der blauen Blume hin.
»Die Bewahrer entsandten einen Edelmann in die Waldlande«, sagte der Allheilige Vater. »Was nur zweierlei bedeuten kann: Entweder
vermochten sie niemanden zu finden, der unauffälliger war. Oder, wie’s mir scheinen will – sie
wollten
, dass dieser Mann bemerkt wird, um so von ihrem
wirklichen
Boten abzulenken. Was, wie Ihr nun wisst, auch unser Plan war.«
»Ja, Heiligkeit«, äußerte Boydos, um die jäh einsetzende Stille zu überbrücken.
»Mehr und mehr gelange ich zu der Überzeugung«, griff Haghos den Faden wieder auf, »dass es im Lager unserer Feinde entweder
jemanden gibt, der, was unsere Pläne betrifft, über äußerst detaillierte Informationen verfügt oder aber exakt genauso denkt
wie ich.«
Mit einem Ruck wandte sich der Allehrwürdige ihm zu, und der Blick seiner im Abgrund des Kapuzenschattens unsichtbaren Augen
schien ihn zu durchbohren. Boydos raffte alle Kraft zusammen, um ruhig zu erscheinen.
Er
war nicht der Spion. Wie rasend suchte er in seiner Erinnerung nach Informationen. Zum ersten Mal waren sie ihm von seinen
Inquisitoren zugetragen worden, damals, nachdem sie Bruder Theronos, den Spion der Bewahrer, gefoltert hatten. Theronos |367| und Bartholomeos – jenen beiden Heiligen Brüdern oblag vor vielen Jahren die Verantwortung für die Ghaz Alim-Probe der Königskinder.
Bruder Bartholomeos’ Verrat zugunsten der Bewahrer war aufgedeckt worden, und Bruder Theronos hatte sein hohes Amt übernommen.
Die Nachricht
seines
Treuebruchs, von einer jungen Frau aus dem Hause Dorn während der Beichte auf dem Sterbelager offenbart, hatte die Priesterschaft
wie ein Hieb getroffen. Theronos jedoch war es gewesen,
er
hatte den Inquisitoren gestanden, dass ein wahrer Erbe des Throns noch immer lebte. Und er, Boydos, sah dies als eher unwichtig
an. Es war wohlbekannt, wie sich die Folterkeller der Inquisition auf das Gemüt der dort Befindlichen auswirkten; sie flüchteten
sich in Wahnvorstellungen und bekannten sich zu Verbrechen, die sie niemals begangen hatten.
In Theronos’ Fall war dies ein Trugschluss gewesen. Wie Gift durchsickerte dieses Begreifen nun seinen Verstand.
Haghos schreckte ihn aus seinen Gedanken auf. »Gallen und seine Leute haben den Boten getötet«, flüsterte er sinnierend.
»Ein schrecklicher Fehler, Allehrwürdiger!«, bekräftigte Boydos, und in seinem Verstand herrschte blindwütiger Aufruhr.
Erinnere dich!,
kreischten seine Gedanken im Chor.
Du trägst die Geschichte in dir! Du hast sie gehört! Erinnere dich!
Diese junge Frau aus dem Hause Dorn ... Cyrra war ihr Name. Sterbend hatte sie ihrem Beichtvater, dem Hauspriester Bruder Pavlos, von ihrer Sünde berichtet, den
Heiligen Brüdern Bartholomeos und Theronos dabei geholfen zu haben, Evan Dorns erstgeborenes Kind zu retten. An das Beichtgeheimnis
hatte das arme Weib geglaubt! Sicher, irgendwo dort draußen, in der weiten Welt, mochte es Priester geben, die geheim hielten,
was ihnen auf einem Sterbebett zugehaucht wurde – Bruder Pavlos jedoch war ein
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