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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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skrupelloser Mann und dazu ein guter Diener
     Seiner Heiligkeit. Cyrras Leib war noch |368| nicht kalt gewesen, da hatte man Bruder Theronos bereits in Arrest genommen. In den darauffolgenden Tagen hatte er Informationen
     von unschätzbarem Wert geliefert.
    Im letzten Moment unterdrückte Boydos ein Kopfschütteln. Theronos, so nahm er an, war längst tot und verfault   ... doch sicher war er sich dessen nicht.
    Der Allheilige Vater war es, der nun an seiner statt den Kopf schüttelte. »Diese Narren! Sie haben nicht einmal richtig nachgesehen,
     was der Bote bei sich trug. Sie ließen das Pferd entkommen, so konnten sie weder die Satteltaschen überprüfen, noch, was darüberhinaus
     am Sattel befestigt war.« Monoton sprach er, und mit einem Unterton der Bitterkeit. »Vielleicht trug jener Mann das erste
     Schwert bei sich – als Legitimation. Vielleicht – sicher mag das nur der gesegnete Shal Addim wissen, und wo es sich nun befindet.
     Irgendwo, dort draußen, in den Händen der Cha’ori-Reiter.«
    Nur ein einziger Schritt trennte ihn noch von der winzigen blauen Blume, dem funkelnden Tautropfen.
    Das erste Schwert! Vermochte man es nicht rechtzeitig bis zu den Krönungsfeierlichkeiten aufzuspüren, wie sollten die Massen
     dann davon überzeugt werden, dass der Hochgebieter Edmond der wahre König war? Andererseits   – Shal Addims Wege waren unergründlich, und so mochte es sich letzten Endes als Segen erweisen,
diesen
Erben nicht mit der echten Klinge auf die Probe stellen zu müssen   ... Nichtsdestotrotz: Wie hatte es nur geschehen können, dass ein solcher Schatz derart lange verloren blieb?
    Meister Gallen und seine Spießgesellen befinden sich in einer weit schlimmeren Lage als angenommen
, stellte Boydos fest.
Wie lange meine Männer den Schwächling wohl am Leben erhalten werden? Tage? Wochen?
    Nichts war hochklassigen Inquisitoren unmöglich. Bruder Bartholomeos, beispielsweise, hatte
jahrelang
für seinen Verrat bezahlt, und er lebte noch immer, irgendwo tief drunten |369| in den steinernen Eingeweiden der klösterlichen Verliese. Boydos atmete unauffällig ein. Nicht einmal er, ein Mann, der Befriedigung
     fand im Betteln und Kreischen seiner Opfer, wollte
daran
denken. Mitansehen zu müssen, was Bruder Theronos angetan wurde, war mehr als genug gewesen.
    »Wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen, Allheiliger Vater«, meldete er sich vorsichtig zu Wort, »so habt Ihr das Rechte
     getan. Einen Majat im Edelstein-Rang in Dienst zu nehmen – eine wundervolle Idee. Ein Diamant versagt niemals. Er wird den
     Jungen für Euch finden.«
    Haghos gab keine Antwort. Noch immer wechselte er das Majat-Unterpfand von der einen in die andere Hand; doch plötzlich tat
     er den letzten Schritt zu der blauen Blume hin und beugte sich über sie.
    Die Hand mit dem Sternendolch rammte nach unten, eine der vier stählernen Klingenspitzen traf das Pflaster mit solcher Macht,
     dass Funken stoben. Zerfetzt wirbelten die zarten blauen Blütenblätter davon und sanken nur langsam wieder zu Boden. Der Allheilige
     Vater griff hinab, riss die verbliebenen Grashalme heraus und zerrieb sie auf den rauen Steinen des Hofs.
    »Noch nie erblickte ich eine derartige Blume«, murmelte er, während er sich wieder aufrichtete, und die Bitterkeit war aus
     seiner Stimme verschwunden. »Selbst hier, inmitten unserer eigenen Mauern, werden wir von neuen Pflanzenschöpfungen verseucht!
     Und zu alledem ist ein Mensch auf freiem Fuße, der nicht nur von der königlichen Blutlinie abstammt, sondern dazu noch die
     Verfluchte Gabe der Magie in sich trägt!«
    Er besah sich das Majat-Unterpfand, als nehme er es erst jetzt richtig wahr; tief in Gedanken wischte er sich erst die rechte,
     dann die linke Hand an seiner Robe ab, dann winkte er einen Priester herbei, den Hof zu säubern und Unkrautvernichtungsmittel
     zwischen die Pflastersteine zu verteilen.
    |370| Das Schattengesicht des Allheiligen Vaters wandte sich wieder Bruder Boydos zu. »Ihr habt mir noch etwas zu sagen, Bruder«,
     forderte er ihn auf.
    Boydos raffte allen Mut zusammen – und überbrachte die schlechten Nachrichten: »Der Herzog von Ellitand ist in der gestrigen
     Nacht aus seiner Residenz-Burg in Tandar geflohen, Heiligkeit. Meine Boten vermuten, dass er maskiert unterwegs ist zum Hohen
     Haus Ellitand.«
    Seine Heiligkeit hob den Kopf, und für einen winzigen Zeitbruchteil schienen seine Augen in den dunklen Tiefen unterhalb der
     Kapuze sichtbar zu

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