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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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spähte sie in weite Fernen. Einmal lachte
     sie sogar laut auf.
    Skip unternahm nicht wenige Versuche, eine Unterhaltung in Gang zu bringen – und musste ein ums andere Mal begreifen, dass
     Ellah ihm gar nicht zuhörte. Antwortete sie |373| doch, was selten genug der Fall war, dann seltsam wirr und nicht zur Sache gehörend, als reagiere sie auf eine völlig andere
     Frage, die es allerdings nur in ihrem Kopf gab. Doch kaum, dass Skip sich nach dem gestrigen Abend erkundigte, da lebte sie
     ein bisschen auf – und gab doch wieder nur Banalitäten von sich: »Ja, es war richtig lustig!«, zum Beispiel, oder: »Ich –
     äh – ich glaube, ich hab ein bisschen getanzt.« Und damit versiegte die Unterhaltung dann auch schon wieder, und schließlich
     gab Skip es auf.
    Erle ritt vorneweg, wie immer, und er genoss dies gleich doppelt; er liebte es, auf seinem prächtigen Pferd dem Horizont entgegenzujagen,
     Seite an Seite mit den Cha’ori-Freunden, und die Anerkennung, die alle seinen Reitkünsten entgegenbrachten, schmeichelte ihm.
     Skip lastete es dem Bruder nicht an, dass er sich nie zurückfallen ließ, um nach ihnen beiden zu sehen. Hätte er so reiten
     können, wäre wohl auch er dort vorne zu finden gewesen, neben Kara, Erle, Dagmara und ihrem Khamal.
    Sie lagerten bei Sonnenuntergang. Rasch wurde klar, dass heute kein gewöhnlicher Tag war. Anstelle der üblichen sechs großen
     Zelte sowie des einen kleineren, für Dagmara und deren Tochter, stellten die Cha’ori mehr als ein Dutzend auf – in einem weiten
     Kreis rings um das Zentrum herum. Während ein Teil des Stammes noch damit beschäftigt war, schwärmten andere zum Flussufer
     aus, um Schwemmholz zu sammeln. Bald schon wuchs ein gigantischer Stapel aus Zweigen und Ästen im Herzen des Zeltkreises empor.
    Obgleich sich die Cha’ori überwiegend in ihrer Sprache unterhielten, breitete sich eine erwartungsvoll-angespannte Stimmung
     aus. Skip rannte hierhin und dorthin in dem herrschenden Durcheinander – und prallte schließlich, ungeschickt wie eh und je,
     mit einem schlanken, sehr hübschen Mädchen zusammen. Sie war ihm nicht böse, aber in ihren großen, schrägstehenden Augen blitzte
     der Schalk.
    |374| »Du kennst meine Geschichte«, seufzte er, ließ ihr Kichern über sich ergehen und zupfte sie zur Strafe spielerisch an einem
     der sechs Zöpfe. Was sie nur noch lauter Lachen ließ, solange, bis er schließlich einstimmte. Er wusste, erst wenn er gelernt
     hatte, wie ein Nomade zu reiten, würden sie ihn respektieren. Aber – seltsam: ihre Spöttelei störte ihn nicht einmal mehr.
    Er versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern. »Odi   ...«, rief er dann aufgeregt und hoffte, ihn richtig ausgesprochen zu haben. »Was geht da vor?«
    Und rief damit schon den nächsten Heiterkeitsausbruch hervor. »Ich bin Ohdi!«, japste sie schließlich, sehr um die nötige
     Ernsthaftigkeit bemüht. »Und heute   ... heute begehen wir die Ulaijim – die Sonnenfeier.«
    »Solstitium, der Sonnwendtag«, murmelte Skip. »Der längste Tag des Jahres.«
    »Richtig!« Sie kam ihm so flatterig-nervös vor wie ein Schmetterling – in Gedanken stürmte sie bereits weiter. Sie kicherte
     wieder, dann fiel ihr noch etwas ein. »Ich hoffe, du kannst tanzen!«, rief sie, drängte sich endgültig an ihm vorbei und eilte
     zu einer Gruppe Jungen und Mädchen hin, die allesamt etwa Skips Alter haben mochten.
    Plötzlich fühlte sich Skip sehr einsam. Bis jetzt hatte er wenigstens Ellah gehabt; er hatte mit ihr reden oder doch zumindest
     sein Bestes tun können, sie zu trösten. Obgleich sie nicht immer gut miteinander auskamen, gab es doch nichts, das zwei Menschen
     besser aneinanderschmiedete, als ein beidseitig vorhandenes Gefühl des Unbehagens. Doch diese neue Stimmung Ellahs veränderte
     alles. Sie war da und doch nicht da. Und jetzt, in genau diesem Moment, war sie weder auf die eine noch die andere Art anwesend.
    Skip spähte im Zeltkreis umher – und plötzlich bemerkte er Kara, und ihr Anblick versetzte ihm einen Stich mitten ins Herz.
     Sie saß allein vor einem Zelt auf einem Teppich und |375| bearbeitete mit einem Wetzstein die Klinge ihres Schwertes; auf und ab ruckten Hand und Werkzeug, schnell und fließend und
     kraftvoll. Sie arbeitete mit der tiefen Konzentration desjenigen, dem alle Betriebsamkeit ringsumher völlig gleichgültig war,
     und sie erweckte eindeutig nicht den Anschein, als heiße sie Gesellschaft willkommen. Skip jedoch

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