Das erste Schwert
werden.
»Wie?«
, verlangte der Allehrwürdige zu wissen. Von jedem einzelnen Stein des Hofes und der Mauern hallte seine Stimme wider.
Und er setzte seine Ghaz Alim ein
, und Boydos wurde von Angst und Panik furiengleich bestürmt und seine Seele krümmte sich inwendig.
Gesegneter Shal Addim!,
flehte er mit letzter Kraft gegen die zermalmende Präsenz seines Herrn und Meisters Willen an.
»Wir – wir vermuten, dass ihm Hilfe zuteil wurde, Allheiliger Vater«, entgegnete er und war bereits wieder imstande, nach
außen hin seine Fassung zu wahren. »Und den olivianischen Gesandten Tanad Eli Faruh haben wir im Verdacht. Mit des Tanads
Diener Mikah tauschte der Herzog die Kleider. Meine Quellen haben mich darüber informiert, dass sich der Seengebieter gar
Haare und Haut gefärbt hat, um wie ein Olivianer auszusehen.«
Einen Moment lang stand Haghos reglos. Boydos spürte die Macht, die gleich einem ungeheuerlichen Pulsschlag aus dem Schattengesicht
unter der Kapuze hervorbrach und das Geviert des Hofes wie
lautloser
, alles erstickender Donner ausfüllte. Der Priester, der auf des Allheiligen Vaters Wink herbeigeeilt war, ließ den Kübel
mit Unkrautvernichter fallen, brach in die Knie und stürzte vornübergekrümmt auf das Pflaster.
|371| Boydos erging es besser;
er
war nicht unvorbereitet gewesen, als es begann. Dennoch hatte auch er alles in seinen Kräften Stehende aufzubieten, um weiterhin
mit demütig gesenktem Haupt vor dem Allehrwürdigen stehen zu können. Verzweifelt kämpfte er gegen das Verlangen an, sich gleichfalls
zu Boden zu werfen und Schutz zu suchen vor diesem monströsen Ausbruch – von dem er wusste, dass es doch nur ein Bruchteil
dessen war, was Seine Heiligkeit aufzubieten vermochte.
Der Allehrwürdige ließ die Hand mit dem Sternendolch im Ärmel seiner Robe verschwinden. »Stellt sicher, dass die beiden anderen
königlichen Herzöge bleiben, wo sie sind. Wenn noch jemand entkommt, werdet Ihr das verantworten, Oberster Inquisitor!« Seine
Heiligkeit ging an ihm vorbei und verschwand im Dunkel des westlichen Säulenganges, doch seine Worte hallten noch immer wie
Donner durch Boydos’ Schädel.
Für eine Weile verharrte er an Ort und Stelle und ließ es zu, dass er bis in Seelentiefen zitterte.
Ich hätte einen anderen damit beauftragen sollen, die schlechten Nachrichten zu überbringen,
dachte er missmutig bei sich. Er wusste, schon bald würde Haghos zu der Einsicht gelangen, dass Daemur Ellitands Entkommen
nicht ihm als Fehler angelastet werden konnte; doch solcherlei Ausbrüche waren allzu schwer zu ertragen. Boydos fühlte sich
zu alt dafür.
Er mühte sich, wieder regelmäßig zu atmen, und setzte sich, anfänglich noch unsicheren Schrittes, in Bewegung. Mit jedem Schritt
besserte sich sein Zustand. Er überquerte den Hof und tauchte in jenen östlichen Säulengang ein, in welchen man den unglücklichen
Meister Gallen geschleift hatte. Er schloss eine handflächendicke Bohlentür auf, öffnete sie gerade weit genug, dass er durch
den entstehenden Spalt huschen konnte – und vertraute sich dem dahinterliegenden Korridor an. Lange, Biegung um Biegung, folgte
er |372| ihm, nur vom Rascheln seiner Robenschöße begleitet; dann ging es eine scheinbar niemals mehr enden wollende Wendeltreppe hinab
– und nun vermochte er Gallens Zetern und Kreischen wieder zu hören. Der Söldner verfügte über einige Ausdauer und Lungenkraft.
Bruder Boydos lächelte und vergaß, was an Mühen und Todesangst hinter ihm lag.
Meister Gallen
, dachte er.
Euch zuzusehen dürfte wahrlich interessant werden.
Tatsächlich spielte er lange mit dem Gedanken, gleich jetzt einen Abstecher in die Folterkammer zu machen und den Beginn des
Verfahrens zu beaufsichtigen; im letzten Moment jedoch entschied er sich dagegen. In einer Zeit, da die Heilige Kirche in
solcher Bedrängnis war, durfte er es nicht riskieren, sich seinen Vergnügungen hinzugeben. Er konnte dem lungenstarken, stimmgewaltigen
Meister Gallen auch später noch einen Besuch abstatten. Seine Inquisitoren verstanden sich auf ihr Handwerk, der Söldner würde
noch lange leben.
Einige von ihnen kreischten und quiekten tagelang. Doch irgendwann versagte auch den Stärksten die Stimme.
Ulaijim
Auch am nächsten Tag zuckelten Skip und Ellah mit der Nachhut des Stammes einher, doch zumindest in Ellahs Gesicht gab es,
anders als sonst, nichts Verdrießliches zu finden. Mit einem abwesenden Lächeln
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