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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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haariger, muskulöser Arm war |39| auf der gepolsterten Lehne erkennbar. Der Fremde trug eine weiße Robe, deren Ärmel hochgekrempelt waren, als erwarte er einen
     Kampf.
    »Bewegt Euch nicht!«, warnte der Herzog.
Es kann kein Assassine sein,
dachte er.
Sonst wär ich schon tot.
    Was die verwirrende Möglichkeit eröffnete, dass der Mann die Wahrheit sagte und wirklich nicht hier war, um ihn zu töten.
     Doch warum sonst?
    »Vielleicht wäre es besser, wir würden uns von Angesicht zu Angesicht unterhalten, Eure Erhabenheit«, schlug der Fremde vor.
     Der Anflug von Belustigung in seiner Stimme entging Evan nicht.
    Ein belustigter Widersacher war entweder stupide oder von tödlicher Gefährlichkeit. Die Vorsicht gebot, Letzteres anzunehmen.
     »Dagegen hätte ich nichts«, sagte Evan. »Aber da Ihr’s vorgezogen habt, hier im Dunkeln zu lauern   ...« Er warf einen raschen Blick zur Tür. Sie war ins Schloss gefallen. Außerdem hatte sich Bruder Pavlos, zu so später Stunde
     das einzige lebende Wesen in diesem Teil der Burg, bestimmt längst entfernt.
    »Wenn Ihr mir vielleicht gestatten würdet, mich zu erheben?«, regte der Fremde an, und die Belustigung war jetzt ganz deutlich.
    Evan schätzte die Distanz zwischen ihnen ab und zog sich noch einmal ein paar Schritte zurück – nun lagen zwei weitere Sessel
     sowie ein kleiner Tisch zwischen ihnen. Er war kein so guter Kämpfer mehr wie in jungen Tagen. Doch gewiss kannte er noch
     den einen oder anderen Trick. Immer vorausgesetzt natürlich, dass sein unerwarteter Besucher nicht doch ein Majat-Assassine
     war.
    Wenn er einer war, bestand allerdings auch kein Grund mehr, sich noch den Kopf zu zerbrechen. Gegen einen Majat hatte er nicht
     die geringste Chance.
    »Also gut! Erhebt Euch!«, herrschte er den Besucher an.
    |40| Der alte Sessel quietschte so laut, dass Evan zusammenzuckte.
    Der Fremde war ein Mann mittleren Alters, vielleicht ein paar Jahre jünger als Evan. Sein sonnenverbranntes Gesicht wurde
     von kurzgeschnittenen, dunklen, wie mit Raureif überhauchten Haaren gerahmt, die an den Pelz eines Bären erinnerten. Seine
     Stirn war massig, und eine weiße Narbe verlief quer über das ganze Gesicht und entstellte es so sehr, dass man nur schwerlich
     erraten konnte, wie es früher ausgesehen haben mochte. Im blakenden Fackelschein erschien es beinahe unmenschlich. Die weiße
     Robe des Mannes war ähnlich geschnitten wie die Kapuzentracht der Priester, jedoch aus einem weichen Tuch mit seidigem Schimmer,
     das im Fackelschein geradezu überirdisch rein aussah. Der Mann stand da mit der ruhigen Gelassenheit und dem Selbstvertrauen
     eines Kriegers. Evan vermutete, der Mann sei eine bedeutendere Persönlichkeit, dort wo er herkam.
    »Ich bin der Bewahrer Egey Bashi, Magister des Inneren Zirkels«, sagte er und neigte nur leicht den Oberkörper. Dies war keinesfalls
     die respektvolle, ordnungsgemäße Verbeugung in Gegenwart eines Herzogs   ... und sie verriet den Mann. Er rechnete mit einem Kampf.
Eindeutig kein Dummkopf!,
entschied Evan.
    »Bewahrer des Inneren Zirkels«, wiederholte Evan, um Zeit zu gewinnen. Er hätte den Fremden sogleich als Bewahrer erkennen
     müssen. Dort auf der weißen Robe, an der linken Schulter des Mannes, prangte eine Stickerei, die ein Schloss mit einem Schlüssel
     zeigte.
    Evan versuchte sich an alles zu erinnern, was über den Orden der Bewahrer bekannt war. In seinem Zentrum lenkte seit Ewigkeiten
     die Mutter Bewahrerin die Geschicke. Demnach bezeichnete der Titel
Magister des Inneren Zirkels
also einen sehr hohen Rang. Der Orden selbst stand in heimlicher Rivalität zur Kirche – trotz der lauthals proklamierten |41| Gleichheit der Ziele. Immerhin erklärte das möglicherweise, warum der Magister Egey Bashi heimlich ins Zimmer des Herzogs
     gekommen war. Er wollte nicht von den Mönchen wie Bruder Pavlos gesehen werden.
    Evan widerstand der Versuchung, den Priester zu erwähnen. »Wie seid Ihr hereingekommen?«, verlangte er stattdessen zu wissen.
    Die Körperhaltung des Mannes lockerte sich ein wenig. »Lasst es mich so umschreiben: Ich bin einen Weg gegangen, der nur den
     Bewahrern bekannt ist. Nichts, worüber sich Eure Erhabenheit sorgen müsste. Wir wünschen Euch nichts als Frieden und Glück.«
    Nach Evans bisheriger Lebenserfahrung bedeuteten solcherlei Versicherungen für gewöhnlich Ärger. Er schob sich ein wenig weiter
     hinter die Möbelbarrikade zurück   ... behutsam, sodass die Bewegung eher

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