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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Unsere Aufgabe ist es, das Tun jener zu beraten, die in unseren Gesichten eine Rolle spielen. Deshalb haben wir
     unter den Cha’ori einen solch hohen Stand inne. Und deshalb kann ich dir nicht enthüllen, was genau ich sah, Skip. Nur dieses
     sollst du wissen: Als dein Bruder, das Mädchen Ellah und du im Schutz der Großen Hecke drei Mörder beobachtet und gesehen
     habt, wie sie von einem Spähtrupp unseres
Stammes
bei ihrem Tun gestört und vertrieben wurden   ... Die Cha’ori waren nicht zufällig an jenem Ort, sondern, weil ich etwas gesehen hatte.«
    Gänsehaut überlief ihn. Durch das Auftauchen der Cha’ori waren die drei Mörder vertrieben worden; so hatten Erle, Ellah und
     er noch mit dem sterbenden Edelmann sprechen und jenes Päckchen mit dem Sternendolch an sich bringen können. Hatte Dagmara
     deshalb den Spähtrupp entsandt, dass er zur rechten Zeit am rechten Ort eingriff, um ihnen – indirekt – beizustehen? Und wenn
     dem so war – konnte sie ihm dann erklären, warum dies alles geschehen war?
    Wie im Fieberwahn kam er sich vor unter dieser jäh aufflammenden Hoffnung – und sie las es in seinen Augen und schüttelte
     den Kopf.
    »Ich hab dir all diese Fragen, die deinen Kopf durchwirbeln, schon beantwortet. So sehr ich dir auch helfen will – einen Rat
     zu geben, das ist alles, was mir zu tun möglich ist.«
    Er nickte; Enttäuschung überzog sein Gesicht wie Raureif.
    »Vertrau’ der jungen Olivianer-Frau Kara nicht. Eure Wege müssen sich trennen – so schnell als möglich.«
    Skip starrte sie ungläubig an. »Das ist dein Ratschlag?«, entfuhr es ihm. »Warum?«
    |410| »Du bist ihretwegen in Gefahr«, sagte Dagmara ruhig. »Eines jener Ereignisse, die ich gesehen habe, wird eintreffen, wenn
     du ihr weiterhin vertraust. Und das wird nicht nur deinen, sondern auch Erles und Ellahs sicheren Tod bedeuten.«
    »Aber   –«, begehrte Skip auf. »Kara hat uns mehr als einmal das Leben gerettet. Sie stand uns im Kampf gegen einen Gorg’tal bei und
     gegen eine Söldnerbande. Außerdem – ohne sie hätten wir nicht einmal mit deinem
Stamm
ziehen können!« Er wischte sich übers Gesicht; seine Augen brannten, als habe er Salz hineingerieben. Gleich darauf stand
     sein Entschluss bereits fest. Nein, er dachte nicht daran, diesen verrückten Rat zu befolgen. Er wusste, er war falsch. Er
     vertraute Kara weit mehr als Dagmara. Die Cha’ori-Frau hatte nichts für ihn getan – außer, ihn zu nächtlicher Stunde in dieses
     ihr Zelt einzuladen, während Kara –
    Vielleicht ist Dagmara verrückt!,
durchzuckte es ihn. Er sah ihr in die bernsteinbraunen Augen. Nicht das geringste Anzeichen von Irrsinn zeigte sich darin.
    »Ich sehe, deine Gefühle für sie gründen tiefer, als ich dachte«, bemerkte Dagmara. »Es tut mir leid. Aber jenseits dessen,
     was ich dir offenbarte, kann ich mich nicht einmischen. Es tut weh, das sagen zu müssen, aber letzten Endes musst
du
entscheiden und tun, was du für richtig hältst.«
    Skips Blick war noch immer kühl, als er nickte; dennoch fühlte er sich ein wenig beschämt. Gewiss glaubte Dagmara, was sie
     sagte. Und selbst dass sie über vierhundert Jahre alt war, mochte wahr sein. Nur, was Kara anbelangte,
musste
ihre seherische Fähigkeit beeinträchtigt sein, warum auch immer.
Vielleicht
, dachte er,
verfügt auch Kara über eine Gabe? Eine, die Dagmaras Seherkraft trübt?
Jedoch sprach er dies nicht laut aus.
    Dagmara nickte, als gelte es, eine Abmachung zu bekräftigen. Dann sagte sie. »Da ist noch etwas.« Sie zog sich einen dünnen
     Lederriemen samt daran baumelndem Medaillon über den Kopf und legte beides auf den Tisch.
    |411| »Dies ist das Zeichen unseres
Stammes
«, sagte sie. »Unsere Identität, unser Wappen. Bestimmt ist es dir schon aufgefallen – unsere Krieger tragen ein ähnliches
     Symbol an ihren Helmen.«
    Skip betrachtete das Medaillon aufmerksam. Eine Scheibe, aus einem glatten, schwarzen Stein herausgeschnitten; darin eingebettet
     schimmerte ein Bernstein in Form eines waagrecht liegenden Ovals; in dessen Zentrum wiederum fand sich eine zweite – allerdings
     kleine – schwarze Scheibe.
    »Es ist das Symbol des Sehens – ein Auge«, erläuterte sie. »Und es sagt aus, dass in diesem
Stamm
die älteste und stärkste Cha’ori-Seherin überhaupt lebt. Ich.«
    Skip konnte nicht umhin, als in dem Medaillon ein urtümliches Abbild von Dagmaras Bernsteinaugen zu sehen.
    Sie schob es zu ihm herüber. »Ich will, dass du es

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