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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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darstellte. Wiewohl er aber
     nach wie vor nicht zu sagen wusste, welcher Natur diese seine Fähigkeiten sein mochten – so war er heute doch bereit, sein
     Geheimnis mit Dagmara zu teilen. Oder vielmehr: sein Vertrauen mit ihr zu teilen, denn die Existenz seiner Ghaz Alim war kein
     Geheimnis für sie.
    Und so nickte er.
    »Gut«, raunte Dagmara, und es schien, als verdichte sich der Weihrauchgeruch rings um ihn her. »Dann bitte ich dich – erzähl’
     mir alles, was du bislang über deine Gabe weißt.«
    »Es ist nicht viel«, beschied er ihr ein wenig unbeholfen. »Ich – ich hab Alpträume. Schon so lange ich denken kann. Nacht
     für Nacht.«
    »Jedoch um die Natur deiner Gabe weißt du nichts«, stellte sie fest.
    »Nein.«
    »Hast du je etwas getan, das dir unerklärlich blieb?«
    Skips Lippen hoben bereits an, ein »Nein« zu formen – doch da schoss ihm eine Erinnerung durch den Sinn. Er zauderte und schwieg.
Es ist nicht wichtig
, wisperte es tief in seinem Kopf.
Es war eine Dummheit, ein Fehler und du hast es zu Recht vergessen.
    »Erzähl’ mir davon«, sagte sie ganz unaufgeregt.
    |405| Er holte tief Luft. Wie konnte er
so etwas
erzählen? »Es ist lange her«, begann er unsicher. »Tage, bevor wir deinem Stamm begegneten. Es wurde dunkel, es regnete, wir
     suchten in einer Höhle Schutz und beschlossen, darin zu übernachten. Irgendwann war die Reihe an mir, Wache zu halten. Es
     war eisig kalt in dieser Höhle. Ich habe gefroren. Ich konnte nur noch an eines denken – an Feuer. Nur, dass uns allen eingeschärft
     worden war, ja keines zu entzünden. Und dann, mit einem Mal   –« Ganz in diese Erinnerung vertieft, schüttelte er ungläubig den Kopf. Er hatte kleine Zweige gesammelt, und Äste und Holzstückchen,
     und sie übereinandergestapelt und sich vorgestellt, an einem wärmenden Feuer zu sitzen.
Das
sollte er ihr erzählen? Es ergab überhaupt keinen Sinn – und erst recht nicht hier, in der warmen Behaglichkeit dieses Zeltes.
     Was hatte er sich nur dabei gedacht?
    »Was ist passiert?«, erkundigte sie sich sanft.
    Sie weiß es
!, begriff Skip.
Sie will nur, dass ich es ausspreche!
Missmutig blies er die Wangen auf und hielt inne, als lausche er einem Echo nach. Dann atmete er sehr behutsam aus. »Ich hab
     wie ein kleines Kind Zweiglein und Ästchen gesammelt und mich davorgesetzt und so getan, als brenne ein Feuer. Ich konnte
     es sehen und spüren! Und als ich die Augen wieder aufgemacht hab, da brannte tatsächlich ein Feuer vor mir. Es war hell und   ... die Flammen echt.« Sein ganzer Mund war staubtrocken; er schluckte. Kaum dass der Vorfall laut ausgesprochen war, kam
     er ihm viel wirklicher vor   ... und erschreckender denn je. Im Laufe der Zeit hatte er fast selbst daran geglaubt, dass es eine völlig plausible Erklärung
     dafür geben musste. Aber jetzt, plötzlich, begriff er. Er war im Irrtum. Für so etwas gab es keine plausible Erklärung.
    Dagmara blickte ihn nachdenklich an; sie war ganz ernst. »Ich wünschte, ich könnte dir sagen, wie man diese deine Gabe nennt«,
     flüsterte sie, als er schon nicht mehr damit |406| rechnete.
»Feuerdenker? Feuermagie?
Schon möglich. Es erklärt, weshalb du Angst vor Wasser hast.«
    Skip starrte sie an. Wie war es möglich, dass sie davon wusste?
    Dagmara jedoch tat, als bemerke sie nichts. »Aber nun ist die Feuermagie eine verhältnismäßig einfache Sache«, fuhr sie stattdessen
     fort. »In den alten Tagen des Reiches hätten sie dir gesagt, dass dein Körper eine außergewöhnlich hohe Spannung produziert,
     eine Art kleinen Blitzschlag. Nur erklärt das noch lange nicht die Stärke und Häufigkeit deiner Alpträume. Deshalb meine ich,
     dass deine Gabe weit komplizierter ist. Und dass du sie selbst entdecken musst.« Sie belächelte seine enttäuschte Miene. »Sei
     unbesorgt«, sagte sie. »Du wirst sie entdecken. Und du wirst lernen, damit umzugehen, genau wie ich.« Ihre Bernsteinaugen
     leuchteten in sattem gelbem Licht.
    »Auch deshalb wollte ich heute noch einmal mit dir sprechen«, sagte sie. »Denn auch von meiner Gabe wollte ich dich wissen
     lassen. Es blieb mir nicht verborgen, dass du dich wunderst, welche Rolle ich innehabe unter den Cha’ori.«
    Adhims Worte   ... Erst in diesem Moment begriff er alles. »
Du
bist die Seherin«, hauchte er.
    Sie nickte. »Ich bin
eine
Seherin«, entgegnete sie. »Jeder Stamm hat seine eigene
sehende Frau
mit der Gabe, Ereignisse der Zukunft wahrnehmen zu können. Jedoch

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