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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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zuckten, als spreche sie nur zu sich; dann wiederholte sie ihre Worte, lauter nun: »Woher wollt
     Ihr wissen, Mutter, dass die Karte nicht letzten Endes doch in die Hände des Feindes gelangt?«
    Eyandala strich sich die langen, blonden Haare aus dem Gesicht.
Kein Schleier
, dachte sie.
Nicht jetzt.
Sie hatte sich sorgenvoll dieselbe Frage gestellt, immer und immer wieder. Doch zugeben durfte sie es nicht – nicht vor diesem
     Rat der Zirkel.
    |424| »Wie allgemein bekannt ist«, sagte sie schließlich, »hat für uns die Sicherheit des Jungen oberste Priorität. Das Geleit eines
     Diamant-Majat sollte dies angemessen gewährleisten.«
    Sie betrachtete ein Gesicht nach dem anderen. Die junge, sommersprossige Olayana schaute hoffnungsfroh, während im strengen,
     schönen Gesicht der Adara Sul Missbilligung zu lesen stand; Xanedi On schüttelte nachdenklich den Kopf. Roms Lippen wirkten
     ein wenig verkniffen; seine Augenbrauen in einem allzu betonten Ausdruck von Verwunderung hochgezogen. Und Berninas freundliches,
     breites Gesicht zeigte einfach nur Besorgnis.
    Eyandala wünschte, Egey Bashi könnte hier sein. Sie hätte des Magisters unerschütterlichen Optimismus und kühlen, klaren Verstand
     so dringend benötigt. Davon abgesehen, fiel es ihr immer schwerer, jenes Gefühl der Sorge zu ertragen, das sie befiel, sooft
     ihre Gedanken in seine Richtung schweiften.
    Sie bedachte die Ratsmitglieder mit einem weiteren Blick und kam sich unvermittelt klein und verletzlich vor. Alles lag nun
     an ihr. Es durfte keinen Stillstand geben. Sie nickte, da sie mit sich selbst wieder im Reinen war. »Ich will, dass Innerer
     und Äußerer Zirkel ab jetzt eng zusammenarbeiten. Eine Substanz muss entwickelt werden, die, so es denn nötig wird, versprüht
     werden kann und so die Feste den Blicken unserer Feinde entzieht. Wenn das erste Schwert und somit auch die Karte in die Hände
     der Priester fallen, werden sie hierher kommen und uns suchen, und dann müssen wir bereit sein.« Keines der Ratsmitglieder
     rührte sich oder erhob einen Einwand; also nickte Eyandala. »Ich stelle fest, dass wir uns einig sind – und erkläre den Rat
     der Zirkel hiermit für beendet.«
    Abermals raschelte seidener Stoff, als sich nun alle erhoben und zur Tür gingen. Eyandala folgte ihnen nach und |425| hob, als sie an dem Podest vorbeikam, alter Gewohnheit folgend, das samtene Tuch an.
Nur zur Sicherheit
, dachte sie.
Nur, um zu sehen, dass das Buch des Wissens noch an Ort und Stelle lag.
Es lag an Ort und Stelle.
    »Adara Sul«, rief sie leise der Initiierten des Inneren Zirkels hinterdrein, bevor jene im Gefolge der anderen Ratsmitglieder
     das runde Gemach verlassen konnte. Kaum dass ihr die Worte über die Lippen gekommen waren, sah sie sich bereits mit dem überirdisch
     schönen Gesicht konfrontiert. Fragend blickten die Augen.
    Eyandala lächelte besänftigend. »Verratet Ihr mir, was, um alles in der Welt, mit Euren Haaren geschehen ist?«

Jaimir
    Wie ein Gebirge ragte der Fährmann vor ihnen auf. Sein linkes Auge wurde von einer Augenklappe verdeckt, und die knopflose
     Lederweste war für diesen gewaltigen Oberkörper eindeutig viel zu klein und entblößte eine solch beeindruckende Brust- und
     Bauchmuskulatur, dass Skip nicht anders konnte – er gaffte mit offenem Mund. Das nicht verhüllte graue Auge des Mannes funkelte
     misstrauisch in seiner tiefen Höhle; nicht die geringste Kleinigkeit entging ihm, als die vier Reisenden an Bord kamen.
    Skip fühlte sich vorangeschoben wie ein störrischer Lastesel und räusperte sich verlegen. Erle war es gewesen, der ihn in
     die Wirklichkeit zurückgeholt hatte; im Vorbeigehen tätschelte er ihm aufmunternd die Wange.
Das hilft nicht viel, Bruder
, dachte Skip, denn kaum, dass er den Fuß auf das schwankende hölzerne Deck setzte – das, genau besehen, nur aus einigen Planken
     bestand, die, auf eine Unterkonstruktion |426| aus mächtigen Baumstämmen genagelt, von einem Geländer eingerahmt wurden   –, überfiel ihn ein Übelkeit erregendes Schwindelgefühl. Das Geländer kam ihm nicht sonderlich stabil vor – und auf gar keinen
     Fall geeignet, auch nur den mindesten Schutz zu bieten vor der gewaltigen Weite des Flusses. Als Kara nun Shadow auf dieses
Floß
geleitete, das irgendwann einmal von einem größenwahnsinnigen Flößer zur Fähre ernannt worden war, knirschten und knackten
     die Planken so quälend laut, als wollten sie im nächsten Moment schon unter dem Gewicht des

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