Das erste Schwert
dunkelhäutigen Wangen streichelten.
Sein Griff um das Geländer lockerte sich, Übelkeit und Schwäche wichen einer Mattigkeit, wie sie für einen müden Reisenden
nicht ungewöhnlich war.
Allerdings war es erst später Vormittag. Genaugenommen gab es keinen Grund, sich so erschöpft zu fühlen, doch mit einiger
Mühe zwang er auch diese Feststellung aus seinem Verstand.
Eins nach dem anderen
, dachte er.
»Mir ist aufgefallen, dass du einige Zeit mit Dagmara verbracht hast«, sagte Kara beiläufig.
Skip schaute sie forschend an. Konnte sie wissen, worüber Dagmara und er gesprochen hatten? »Aus irgendeinem Grund schien
sie zu glauben, dass ich –« Er presste die Lippen |429| zusammen, wie zu Stein geworden fühlten sie sich plötzlich an. Was sollte er ihr erzählen? Dass er die Ghaz Alim, die Verfluchte
Gabe, in sich trug und dass sie stark war, diese seine Gabe, und Dagmara sie deshalb zwar hatte spüren, aber trotzdem nicht
hatte benennen können. Dass sie bei einer Tasse Tee über die wahre Natur seines Fluchs gerätselt und darüberhinaus ein wenig
über sie geplaudert hatten? Darüber, wie gefährlich sie für ihn war?
Kara lächelte und sah ihm direkt in die Augen. »Sie spürte deine Gabe.« Es war keine Frage.
Skip vermochte sie nur anzustarren. »Wie kannst du das –«
Kara zuckte mit den Schultern. »Du hast Alpträume. Jede Nacht. Schon vergessen?«
Ihm wurde bitter kalt.
Nein.
Wie hätte er das je vergessen können? Jene Nacht im Dunklen Pfuhl ... Kara hatte ihn geweckt, er war an der Reihe gewesen, Wache zu halten. Es schien so weit zurückzuliegen.
»Und? Weißt du nun, was für eine Gabe dir innewohnt?«, fragte Kara.
Skip atmete durch. »Nein. – Aber Dagmara glaubt, dass meine – meine Angst vor dem Wasser etwas damit zu tun hat.«
So
. Jetzt hatte er es ausgesprochen. Er hatte Angst vor Wasser, und er hatte es Kara offen eingestanden. Ihm war, als höre er
tief in sich einen verzweifelten Laut, und tat es als Einbildung ab, als Reaktion seiner überreizten Phantasie.
Kara blieb eine Weile still. »Irgendwelche Anhaltspunkte?«, erkundigte sie sich schließlich.
»Keine.« Er war noch nicht so weit, ihr auch noch über das Feuer in der Höhle der Schattenflügler die Wahrheit zu sagen. Davon
abgesehen: Wenn Dagmara der Meinung war, allein durch Wunschdenken ein Feuer entzünden zu können, sei kein echter Fingerzeig,
dann mochte es ohnehin am besten sein, das Ganze zu vergessen.
|430| Kara schien willens, es darauf beruhen zu lassen. Aber nach wie vor sah sie ihm bis in die tiefsten Seelentiefen. »Hat sie
dir sonst noch irgend etwas gesagt?«
Das wütende Rauschen der Strömung schien lauter zu werden.
Sie weiß Bescheid!,
durchfuhr es ihn. Sie musste Bescheid wissen – warum sonst stellte sie ihm diese Fragen?
Und ... er würde ihr alles sagen. Er vertraute Kara bedingungslos. Er war nicht bereit, zuzulassen, dass Dagmaras Verdächtigungen
sein Vertrauen beeinträchtigten. So sehr er an die übersinnlichen Mächte der Cha’ori-Frau glaubte – in diesem Fall
musste
sie sich irren. Wenn sie Kara nicht mehr vertrauen konnten, wem sollten sie dann noch vertrauen in dieser aus den Fugen geratenen
Welt?
Intensiv wie nie war er sich der Gerüche des großen Stromes bewusst, als er zu reden begann. »Sie sagte mir, wir dürften auf
gar keinen Fall mit dir zusammen unsere Reise fortsetzen«, brach es aus ihm heraus. »Sie sagte, dass du eine Gefahr bist für
unser aller Leben.«
Karas Miene war undeutbar. »Wir haben Jaimir fast erreicht«, sagte sie schließlich mit einem Achselzucken. »Ich kann mich
dran erinnern, dass wir ursprünglich ohnehin abgesprochen hatten, uns dort zu trennen.«
»Nein!« Die Heftigkeit der eigenen Stimme überraschte Skip über alle Maßen. »Ich ... Du hast gesagt, du machst es davon abhängig, ob wir dir zur Last fallen oder nicht.
In Jaimir werden wir weitersehen
–
das
waren deine Worte!«
»Wenn du das behauptest, muss es wohl stimmen, richtig?«
Er versuchte, statt in ihrem Gesicht in ihren Augen zu lesen, doch gaben auch sie ihre Geheimnisse nicht preis.
Die Fähre wurde von den Wellenkämmen des Elligar auf- und niedergeschaukelt wie ein Rindenstückchen. Und Skips Gedanken rasten.
Hatte der Vater ihr nicht angedeutet, sie könne mit einer stattlichen Belohnung rechnen, wenn sie ihnen beistand, ihr Ziel
zu erreichen? Der wahre Grund ihrer |431| Reise jedoch war Kara nie offenbart
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